Vorhang auf für den letzten Akt, den Abschlussband der ungewöhnlichen Anti-Superhelden-Reihe, die Starautor Ed Brubaker (der u.a. auch an der ersten Staffel von „Westworld“ mitschrieb) hier beendet. Wir rekapitulieren: Dylan treibt als maskierter „Rächer“ sein Unwesen. Er erfüllt so den Pakt mit dem Dämon, der ihm einst das Leben rettete, indem er jeden Monat einen Mord begeht und Leute tötet, die alle etwas auf dem Kerbholz haben. Als eine Art Selbstjustiz. Eine erzwungene, zumindest anfangs. Überaschenderweise finden wir Dylan hier in der Psychiatrie wieder. Er erklärt uns auch gleich direkt, wie es dazu kam: der Dämon – wir wissen nun, dass auch sein verstorbener Bruder und sein Vater ihn kannten – ist wieder allgegenwärtig. Ständig redet er auf Dylan ein, fordert einen neuen Mord. Im Wahn geht Dylan seinem Mitbewohner Mason an die Kehle – und landet folgerichtig in der Klapse.
Dort will er endlich reinen Tisch machen, gesteht dem Arzt seine Taten und offenbart den Dämon. Doch der Arzt glaubt ihm nicht. Der Grund: die Morde des „Rächers“ gehen längst weiter und Dylan wird klar, dass ein anderer, ein Nachahmer mit gleichem Outfit, inzwischen sein Unwesen treibt. Dylan wird massiv sediert (was durch unscharfe Sprechblasen clever visualisiert wird) und ist erstmal aus dem Spiel, der Dämon verschwindet. Doch als Dylan – halb im medikamentösen Delirium – sieht, wie ein Pfleger eine wehrlose Patientin begrapscht, erwacht in ihm erneut der Killerinstinkt. Dann wird der Nachahmer zur Strecke gebracht, der Fall scheint gelöst. Hier kommt einmal mehr Detective Lily Sharpe ins Spiel. Die entdeckt Ungereimtheiten bei den Fällen und forscht auf eigene Faust nach. Dann sind da ja noch die Russen, zumindest jene, die Dylan noch nicht umgebracht hat. Und die haben ihn noch lange nicht vergessen…
Zum Schluss führt Ed Brubaker geschickt die Handlungsfäden zusammen und vergisst dabei nichts und niemanden. Der Kreis schließt sich: Detective Sharpe kommt bei ihren Nachforschungen der Wahrheit immer näher und ganz unverhofft wird auch die Russenmafia wieder ins Spiel gebracht. Was zu einem High Noon, einem harten Finale in der psychiatrischen Klinik führt. Mit der Idee, einen Nachahmer ins Spiel zu bringen, haucht Brubaker der Story zuvor nochmals frischen Wind ein und pulverisiert gleichzeitig Dylans Geständnis sofort – sogar der Arzt lacht darüber und entlarvt ihn als vermeintlichen Lügner. Dylan fällt dann in alte und inzwischen gewohnte Verhaltensmuster zurück: er sucht und findet in dem Pfleger ein neues Opfer, auch ganz ohne Dämon. Gibt es den vielleicht doch nicht?
Kommen wir zum Ende und damit zur Gretchenfrage: überlebt Dylan seinen Trip? Als allwissender Erzähler spielt er zuvor noch einmal mit uns, den Lesern. Er greift wie gehabt vor und berichtet dann wie es so weit kam. Dieses Spiel – wir werden natürlich nicht verraten, wie es ausgeht – zieht er bis zum Schluss durch, inkl. eines kleinen Clous am Ende, der aber zu erwarten war. Ansonsten gibt es immer wieder das bekannte Seitenlayout, in dem Text – meist sinniert und philosophiert Dylan hier über das Böse in der Welt und legt seine Motive dar – und Bild(er) streng getrennt sind. Hier beginnt es sich zu wiederholen, auch die „On/Off-Beziehung“ zu dem Dämon nutzt sich langsam ab und ehe sich Brubaker nur noch selbst zitiert, beendet er die Reihe. Konsequent und stilsicher. Zeichnerisch legt Sean Phillips nochmal eine Schippe drauf. Und zwar eine Schippe Schnee, denn der Blizzard, der draußen wütet, bietet eine eindrucksvolle Kulisse, die nur halb so imposant wäre ohne die kongeniale Farbgebung von Elizabeth Breitweiser. (bw)
Kill or be Killed, Band 4
Text: Ed Brubaker
Bilder: Sean Phillips, Elizabeth Breitweiser (Farben)
168 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
24,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-036-1