Alles muss man selbst machen. Das gilt auch für den Templer-Orden, der keinesfalls der geschlossene Verein von Lumpensöhnen ist, als der er nach außen erscheint in seinem ewig währenden Kampf gegen die Assassinen. Nein, auch bei den Templern gibt es schwarze Schafe, die ihren Job nicht so ganz ernst nehmen – oder ihn zu ihrem Nutzen ausschlachten, wie etwa Thaddeus Gift. Der nämlich wirtschaftet im London des Jahres 1927 als Wucherer fein in die eigene Tasche und bedient sich dabei des Schreckens, den die Templer verbreiten. Die allerdings lassen sich das nicht länger gefallen und schicken ihm einen grimmen Rächer auf den Hals, der dem alten Lüstling den Garaus macht. Sein Sohn Darius Gift steht plötzlich mittellos (der alte Herr hat alles Geld durchgebracht) und diskreditiert da – worauf ihm Meister Ferris vom Templer-Orden eine Chance zur Rehabilitierung anbietet: er soll als Abgesandter die Loge in Shanghai auf Vordermann bringen. Undercover, als Banker aus Malta, macht er sich auf den Weg, mit einem mysteriösen Paket, das er abliefern soll. Vor Ort sitzt er erst einmal den Reizen einer gewissen Roo auf, die ihm unter dem Vorwand, ihn zum abtrünnigen General Chiang Kai-Shek zu bringen, sein Frachtgut abluchst. Zudem wird er noch von zwei Gesellen überfallen, als ein vermummter Hüne plötzlich eingreift und die Angreifer rabiat stoppt.
Der Herr, der offenbar auf den Namen Black Cross hört, sagt Darius zu, die verschwundene Kiste wieder zu beschaffen, um die Sache der Templer wieder ins Lot zu rücken. Das ist auch dringend nötig, denn die Shanghai-Loge ist heillos zerfasert, aufgeteilt wie die Herrschaftsbezirke in einen japanischen, französischen und internationalen Teil und durch einen Verräter in den eigenen Reihen weit weg vom Plan der Loge, China unter Herrschaft des Generals Chiang Kai-Shek zu einen. Als Agent der Neun, der obersten Templer, nimmt Black Cross die Spur auf, die ihn alsbald nach Alt-Shanghai führt, wo die Kommunisten ihr eigenes Süppchen kochen, das nicht unbedingt im Sinne der Templer ist. Dort kommt er sogleich unter schweren Beschuss der „Grünen Triade“ von Gangsterboss Du Yuesheng, die vordergründig mit Chiang sympathisiert und Black Cross tatsächlich festsetzt, da diese Gangsterbande jede Menge gegen die hehren Pläne der Templer einzuwenden hat. Einstweilen treibt Darius seine geheimnisvolle „Roo“ in den Minxing Filmstudios auf, wo sie unter dem Namen Ruan als Schauspielerin arbeitet. So richtig unangenehm für beide Akteure wird es allerdings erst, als draußen eine höchst weltliche Umwälzung beginnt – denn General Chiang Kai-Shek schickt sich an, sich endgültig der Kommunisten zu entledigen und beginnt in den Straßen Shanghais eine veritable Säuberungsaktion…
Mit dieser neuen Reihe setzen die Macher des Assassin’s Creed-Comic-Franchise die bewährte Tradition der Spin-Offs und „Abenteuer aus der Welt von XYZ“ fort. Wie der Titel „Assassin’s Creed: Templars“ schon sagt, steht hier nicht die Bruderschaft der Assassinen, sondern ihre ewigen Gegenspieler, der Orden der Tempelritter, im Mittelpunkt. Das Grundkonzept der Gaming-Reihe, in der der Spieler jeweils in die historische Persona eines Assassinen schlüpft und in dieser Inkarnation höchst artistisch gegen die Templer antritt, kommt hier in leichter Abwandlung in Form der „Ahnenforschung“ durch die Templer erst ganz am Ende der Geschehnisse zu Tage (während in den Comic-Fassungen „Assassin’s Creed: Feuerprobe“ und „Sonnenuntergang“ eben das Gaming-Prinzip noch zentral ist). Der Scheinwerfer wird vollständig auf die atemlose Hatz gesetzt, die sich Darius und der mysteriöse Black Cross teilen, wobei die historische Genauigkeit, die die Spielevorlage auszeichnet, durchaus aufblitzt: der Führer der nationalistischen Partei Kuomintang, Chiang Kai-Shek, übernahm am 12. April 1927 tatsächlich die Straßen Shanghais, das bis dahin in drei Bezirke aufgeteilt war, und schlug die Kommunisten blutig nieder, wobei ihm die „Grüne Bande“ unter dem Kommando von Du Yuesheng zu Hilfe eilte. Als Ergebnis schwang sich Chiang zum starken Mann Chinas auf, der sich letztendlich erst 1949 seinem kommunistischen Widersacher Mao Tse Tung geschlagen geben musste und sich nach Taiwan zurückzog.
Vor diesem Hintergrund entfaltet sich eine Verfolgungsjagd, die mit der geheimnisvollen Kiste, deren Inhalt wir erst gegen Ende erfahren, einen standesgemäßen McGuffin bietet und mit jeder Menge akrobatischer Kampfszenen glänzt. Black Cross kommt dabei wie eine Mischung aus James Bond, Batman und Phantom daher: als ausgewiesen „bester Agent der Neun“, bestraft er gnadenlos die Abweichler und windet sich mit Geschick und jeder Menge Gadgets (vergiftete Pfeile, Rauchbomben etc.) auch aus den aussichtslosesten Malaisen. Ein dunkler Rächer also, der seine Rolle über die Generationen weitergibt und weit jenseits der Legalität im Rahmen des Kodex der Templer – die tumbe Menschheit per Kontrolle zu ihrem Fortschritt und Wohle zu zwingen – für sich folgerichtig agiert. Diese straighte history adventure super hero story aus der Feder von Fred van Lente lebt nicht zuletzt von der höchst dynamischen, rasanten Umsetzung durch Dennis Calero, der immer wieder die Antihelden-Historie anklingen lässt (Black Cross erscheint bisweilen wie der Spirit oder auch The Question) und vor allem in den Kampfszenen eine atemlose Schnelligkeit entfaltet.
Weniger für die Gamer-Fraktion geeignet, dafür umso mehr einen Blick wert für Freunde des bunten, historisch verorteten Abenteuers, von dem eine Fortsetzung schon in den Startlöchern steht. Der Hardcover-Band bringt die US-Hefte „Assassin’s Creed: Templars“ 1-5 von 2016, ergänzt um eine Cover-Galerie sowie einige Hintergrund-Infos zum Templer-Orden – dann doch wieder eher in der fiktiven Fassung der Spiele, in denen sich der Orden hinter der Fassade einer Scheinfirma namens Abstergo verbirgt. Für Sammler gibt es wie üblich eine auf 666 Exemplare limitierte Sonderausgabe mit etlichen Bonusseiten. (hb)
Assassin’s Creed: Templars, Band 1: Black Cross
Text: Fred van Lente
Bilder: Dennis Calero
144 Seiten in Farbe, Hardcover (reguläre Edition)
176 Seiten in Farbe, Hardcover (limitierte Edition)
Splitter Verlag
19,80 Euro (reguläre Edition)
34,80 Euro (limitierte Edition)
ISBN: 978-3-95839-420-9 (reguläre Edition)
ISBN: 978-3-95839-421-6 (limitierte Edition)