Weiter fliehen die Kinder des Kapitäns, nein des Anführers der Anarchistischen Liga der Wissenschaftler Grant McKay, abenteuerlich quer durch alle Realitäten und Zeiten. Per Zufall waren Pia und Nate nämlich im Labor, als die Erfindung ihres Vater plötzlich durchdrehte – der Pfeiler, der alle bekannten Dimensionen verbinden sollte, damit man sich von allen erdenklichen Plätzen des Everversums nach Herzenslust mit Rohstoffen und sonstigen Annehmlichkeiten bedienen kann. Aber Grants Chef Kadir sabotiert den Pfeiler, der seitdem mit allen Unglücklichen, die zugegen waren, alle paar Stunden unkontrolliert einen Dimensionssprung durchführt. McKay, der bei diesem chaotischen Sturz durch die Welten seine Kinder retten will, wird schwer verletzt zurückgelassen, als eine durchgeknallte Sekte von intelligenten Tausendfüßlern die Expedition angreift und sie dringend ihren Göttern opfern will.
Alles scheint verloren für Pia und Nate, die schon in die Burg des Viehzeugs verfrachtet sind, aber da taucht plötzlich Kadir auf, der dem sterbenden Grant versprochen hat, die Kinder zurück zu ihrer Mutter Sara zu bringen. Kadir schafft es zwar, die beiden aus den Klauen der Tausendfüßler zu befreien, aber die Truppe wird wieder getrennt, als Pia und Nate über eine Klippe stürzen und sich bei eigentümlichen Wesen wiederfinden, die ebenso von den Tausendfüßlern gejagt werden. Angetrieben von unbändigem Zorn auf ihren Vater, der ihrer Meinung nach die Familie vernachlässigte und ihre Mutter betrog, treibt Pia ihren Bruder erneut zur Flucht an und schnappt sich dabei Krolar, ein ebenfalls gejagtes Kind, gleich mit. Gegen alle Unbill schaffen es die Kinder tatsächlich, sich zurück zu Kadir und dem Rest der Versprengten durchzuschlagen. Tief unter der Oberfläche sucht man Schutz vor den telepathisch begabten Jägern, die hinter dem Pfeiler her sind wie der Leibhaftige hinter der armen Seele. Gerade als es aussieht, als habe das letzte Stündlein der Flüchtenden geschlagen, tritt ein Protagonist auf, der keinesfalls so tot ist, wie das alle vermutet haben…
Im zweiten Band seines furiosen Sturms durch Zeiten, Welten und Realitäten drückt Rick Remender das Gaspedal massiv durch und hetzt uns von einem Cliffhanger zum nächsten: kaum sind die Kinder oder der Rest der Expedition einer Gefahr entronnen, lauert schon eine neue Bedrohung. Atemlos rasen die Seiten vorüber, man fühlt sich fast gemahnt an die seligen Science Ficiton-Serials der 30er Jahre, als Flash Gordon, Buck Rogers und Co. sich an immer exotischeren Schauplätzen mit immer tödlicherem Viehzeug und Maschinerie herumschlagen mussten. Sprunghaft werden dabei auch die Erzählebenen gewechselt, von den einzelnen Figuren über Rückblicke bis hin zu vollständig anderen Dimensionslevels ist alles geboten, wodurch das Leseerlebnis durchaus einem aufwühlenden Strudel der Welten gleicht.
Gleichzeitig bringt Remender wie schon in seinem mindestens ebenso dystopischen Werk „Low“ und auch bei „Last Days Of American Crime“ (beide auch bei Splitter) genügend emotionale Facetten, um weit mehr als zu liefern als eine simple Action-Story: der verzweifelte Versuch der Kinder Pia und Nate, zu ihrer Mutter zurückzukehren, ist symbolisch für ihren Wunsch, ihre zerbrochene Familie zu heilen, die ihr Vater zerstört hat; und auch Rebecca, Grants Geliebte, trägt ihr eigenes Schicksal, da sie sich für den Tod ihres Bruders verantwortlich macht. Kadir schließlich ist keineswegs nur ein ehrloser Halunke: er wollte Grant scheitern sehen, um die Ausbeutung des Everversums zu verhindern (und nebenbei um Grants Frau Sara für sich zu gewinnen, aber das sei ihm als persönliche Motivation ja gegönnt).
So entsteht ein durchaus auch psychologisch anspruchsvolles Stück Anti-SF, das nicht zuletzt dank der Gestaltung von Matteo Scalera und Dean White zum grande furioso mit psychedelischen Anklängen wird: dynamische, energetische Panels erleben wir da, die stilisierte Cartoonhaftigkeit wird (ebenso wie in „Low“) konterkariert durch teilweise durchaus explizite Gewalt und den düsteren Gehalt einer Realität, in der nichts Bedeutung hat, da alles möglich ist. Der vorliegende Band 2 enthält die „Black Science“ US-Ausgaben 7-11, die im Original ebenfalls schon gesammelt unter dem Titel „Black Science: Welcome, Nowhere“ bei Image erschienen. (hb)
Black Science, Band 2: Willkommen, nirgendwo
Text: Rick Remender
Bilder: Matteo Scalera, Dean White
136 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-376-9