Jules Verne! Da geht bei mir immer noch die Sonne auf! Der Name weckt jugendliche Erinnerungen an den ersten Lesedurchgang von 20.000 Meilen unter dem Meer, an die Verfilmung mit Kirk Douglas und an diverse Europa-Langspielplatten (für die jungen Leser: das waren große, flache, schwarze Scheiben, die Töne machen), Stichwort: Fünf Wochen im Ballon und natürlich In 80 Tagen um die Welt.
Nun also eine Comicadaption. Die gab’s auch schon, man denke nur an diverse Illustrierte Klassiker Ausgaben und ganz aktuell die Verne Adaptionen in den Brockhaus Literaturcomics. Aber Alexis Nesme, seines Zeichens alleiniger Adapteur, setzt nicht nur Vernes zweitlängstes Werk in Comicform um, er macht daraus zeichnerisch etwas ganz Eigenes. Doch zuerst kurz zur Story, die sicher vielen bekannt sein dürfte. 1864: Vor der schottischen Küste findet Lord Glenarvan, unterwegs mit seiner neuen Yacht, der Duncan, eine Flaschenpost, deren Inhalt leider nicht mehr vollständig zu rekonstruieren ist. Sie stammt von Kapitän Grant, der verschollen ist und ganz offenbar einen Schiffbruch überlebt hat. Aufgrund der lesbaren Hinweise vermutet Lord Glenarvan den Kapitän in Patagonien. Er beschließt sich auf die Suche nach Grant zu machen uns sticht alsbald mit seiner Yacht in See. Begleitet wird er u.a. von den beiden Kindern des Kapitäns und von dem französischen Gelehrten Paganel, der zwar ein schlauer Hund ist, aber aufgrund seiner Zerstreutheit immer wieder für amüsante Episoden sorgt.
Apropos Hund. In dem Band gibt es keine Menschen. Das heißt, sie sehen nicht so aus. Denn Nesme stellt sämtliche Personen mit Tierköpfen dar. So einen Kunstgriff kennen wir u.a. aus Serien wie Blacksad, Mit Mantel und Degen oder jüngst Grandville. Allesamt Kracher. Die Kinder des Kapitän Grant schließt hier nahtlos an. Inhaltlich hält sich Nesme eng an das Buch (soweit bis jetzt ersichtlich) und präsentiert ein lupenreines Abenteuer bei dem Kapitän Grant als MacGuffin (um hier mal Hitchcock zu bemühen) für eine Reise um die halbe Welt dient. Aber die Bilder sind der eigentliche Hammer. Lord Glenarvan ist ein Tiger, die Kinder sind Katzen, Paganel ein Frosch und der einheimische Führer Thalcave ein Adler. Alle in schönstem Kindchenschema gezeichnet, mit angenehm überzogenen Realismus (auch die Yacht ragt ja viel zu weit aus dem Wasser). Obwohl, gezeichnet kann man das schon nicht mehr nennen. Vielmehr erinnert jedes Bild an ein Gemälde. Die Bergwelt, das Meer, der Himmel, die Wolken, jedes Panel wäre als Illustration für ein edel gestaltetes Kinderbuch geeignet. Jedes Bild ist opulent und detailverliebt ausgearbeitet, dazu noch die liebevolle ornamentale Aufmachung… einfach schön.
Die Geschichte wird wohl drei Bände umfassen. Vermutlich, analog des Romans, spielt der nächste in Australien und der abschließende Band in Neuseeland. Auch wenn die Story bekannt ist, unterhaltsam wie spannend ist sie allemal und wir können uns auf weitere, wunderschöne Bilder freuen. Ein ideales Comic für Jung und Alt. (bw)
Die Kinder des Kapitän Grant, Band 1:
Text & Bilder: Alexis Nesme, nach Jules Verne
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-578-6