Grandville Mon Amour (Schreiber & Leser)

März 6, 2013

Grandville Mon Amour

Kenner unter Comicfans horchen auf, wenn ein neuer Band des Briten Bryan Talbot erscheint. Das kommt nicht alle Tage vor, eher recht selten. Dann aber mit Getöse. Am ehesten bekannt ist er als einer der Zeichner, die Neil Gaimans Sandman-Epos in Szene gesetzt haben. Auch in Bill Willinghams Fables gab er ein kurzes Gastspiel. Als sein bisher einziger eigener Band bei uns erschien vor zwölf Jahren ‚Die Geschichte einer bösen Ratte’, ein eindrucksvolles Buch über ein misshandeltes Mädchen. Damals war er übrigens auch Gast auf dem Erlanger Comic-Salon. Sein frühes Opus Magnum aus den Achtzigern, ‚The Adventures of Luther Arkwright’, eine komplexe Science Fiction Gaphic Novel, harrt noch immer einer deutschen Veröffentlichung.

Umso überraschender, dass sein Grandville sich zu einer Serie entwickelt, deren zweiter Band nun bei Schreiber & Leser vorliegt. Bemerkenswert ist da schon einmal das Setting: Steampunk in einer viktorianischen Alternativwelt, mit Protagonisten, die allesamt Tiere sind. Die politische Lage ist heikel. Seit Napoleons Sieg herrscht Frankreich über Europa. Auch Britannien gehörte zum Empire France, bis es vor 23 Jahren unabhängig wurde. Es versteht sich von selbst, dass sich Briten und Franzosen untereinander nicht sonderlich grün sind. Großartige Rahmenbedingungen für die Story!

So folgen Detective Inspector LeBrock (ein Dachs) von Scotland Yard und dessen Assistent Roderick Ratzi (eine Maus) den flüchtigen Killer Mad Dog Mastock (ein Hund, na klar) von London nach Grandville, der Hauptstadt des Empire France, die wir als Paris kennen. Dort treibt Mastock sein Unwesen, töten scheinbar wahllos Huren, bis LeBrock eine Verbindung zwischen den Opfern entdeckt. Und er erkennt, dass Mastock nur der ausführende Arm einer Verschwörung ist, deren Ursprung ganz weit oben in der Gesellschaft liegt und die mit der Unabhängigkeit Britanniens zu tun hat.

Der Anfang, als Assi Roderick seinen derangierten Chef LeBrock in dessen chaotischer Wohnung aufsucht, erinnert an Sherlock Holmes und geht glatt als Hommage durch. Dann wird die Story wieder eigenständig und entwickelt sich, wie auch schon im ersten Band, zu einem spannenden Thriller/Krimi-Mix, der immer größere Kreise zieht. Mad Dog ist letztendlich nur ein Rädchen im Verschwörungs-Getriebe. Das liest sich flüssig, mit einem formidablen Spannungsbogen, der den Horizont des Lesers immer mehr erweitert, bis das ganze Ausmaß der Handlung erkennbar wird. Und damit nicht genug, erweist Meister Talbot dem franko-belgischem Comic seine Aufwartung. Denn wie im Erstling lassen sich einige Comic-Figuren unschwer identifizieren und sorgen für Aha-Momente beim Leser. Eine schöne Dreingabe. Und auch hier wird, wie Talbot im Interview am Ende des Bandes erklärt, noch mehr kommen. Einziger Kritikpunkt ist wieder die allzu glatte Computerkolorierung – etwas mehr farbliche Komplexität hätte den Zeichnungen gut getan. Doch das fällt kaum ins Gewicht, zählen doch in erster Linie Design (inklusive der schönen ornamentalen Aufmachung), Originalität und die Story. Und hier passt alles. In England ist jüngst Teil 3 erschienen. Weitere Bände sind in Vorbereitung. Nur her damit. (bw)

Grandville Mon Amour (Band 2)
Text & Bilder: Bryan Talbot
104 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Schreiber & Leser
24,80 Euro

ISBN: 978-3-943808-03-2

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