Seltsame fiebrige Alpträume plagen Spawn. Darin hört er eine fremde Stimme, die offenbar von seinem Kostüm stammt und die mit Worten spricht, deren Sinn er nicht einordnen kann. Gleichzeitig geschehen in New York brutale Morde. Da Spawn während seine ‚Anfälle‘ völlig weggetreten ist, vermutet er sich oder sein Kostüm hinter den Massakern. Auch die Detectives Burke und Williams sind mit der Aufklärung der Morde betraut. Unfreiwillige Unterstützung erhalten sie von dem Vampirjäger John Sansker, der medienwirksam bereits in anderen Städten erfolgreich Vampirbrut den Garaus gemacht hat und der als Täter einen Vampir vermutet. Nämlich Spawn. Doch die beiden Detectives haben ob des Täters so ihre Zweifel. Denn die Opfer werden nicht ausgesaugt. Trotzdem zeigt die mediale Hetze, die Sansker entfacht, bald erste Erfolge. Spawns ‚Freunde‘, die Obdachlosen, über die er thront, stellen sich gegen ihn. Voller Selbstzweifel sieht er keine andere Wahl, als sein Kostüm loszuwerden. Was sich als Fehler erweist. Denn Sansker hat eine faustdicke Überraschung auf Lager…
Nach seiner Violator-Miniserie widmete sich Comic-Gigant Alan Moore ein weiteres mal dem Spawn-Universum. ‚Blood Feud/Blutfehde‘ erschien erstmals 1998 in zwei Bänden im Infinity Verlag. Wie auch bei ‚Violator‘ mutet sein erneuter Spawn Ausflug im Vergleich zu seinen großen Serien wie eine Fingerübung an. Wie ein kurzer, heftiger Trip zum Austoben (1995, als ‚Blood Feud‘ in den USA erschien, arbeitete er noch an ‚From Hell‘, seinem Jack The Ripper-Opus). Der trotzdem nachhaltig beeindruckte weshalb heute gerne das Klassiker Prädikat verteilt wird, wenn es um die Beteiligung Moores (und auch Neil Gaimans – siehe Angela) an der Serie geht. Aber anders als beispielsweise bei Miracleman oder Swamp Thing – dort hatte er auch mehr Zeit – definierte er die Reihe bzw. die Figur nicht neu, sondern war sich seines Gastspiels offenbar bewußt. Während er sich in Violator in erster Linie um eine (wenngleich schillernde) Nebenfigur kümmerte, steht in ‚Blood Feud‘ Spawn im Mittelpunkt (mit Violator-Cameo). Aber auch hier schimmert immer wieder der typische Alan Moore durch, wie in den filmisch gestalteten Mordszenen, in denen man nur die entsetzten Gesichter der Opfer sieht und sich die Tat nur im Kopf des Lesers abspielt, wenngleich man auch recht früh Lunte riecht und den Ausgang der Geschichte erahnt.
Bei all der Dramatik und blutig-brachialen Action kommt auch wieder der Humor nicht zu kurz, der in der Violator-Miniserie ein tragendes Element war. Dafür sorgt auch hier einmal mehr der groteske Clown in einem witzigen Kurzauftritt („Fast wie Danny DeVito, nur etwas vornehmer…“), in dem er Spawn in kurzen Worten und rotzfrech offenbart, was es mit dem Symbionten, seinem Kostüm, wohl tatsächlich auf sich hat (die Symbiontendress-Thematik kennen wir ja auch aus Spider-Man). Mit von der Humor-Partie sind auch die Detectives Sam (Burke) und Twitch (Williams), die sich einmal mehr sarkastisch-ironische Bälle zuspielen, ohne den Überblick über den vermeintlich klaren Fall zu verlieren. Später wurde den beiden ja das eine oder andere Solo-Abenteuer spendiert (auf deutsch vier Bände, ebenfalls bei Infinity).
Zeichnerisch steht, bzw. stand Tony S. Daniel, der mit ‚The Tenth‘ auch in Deutschland bekannt wurde (man denke nur an seinen denkwürdigen Erlangen-Besuch während des ‚Heftchen-Booms‘), ganz in der Tradition des McFarlane-Stils: überzeichnete Figuren, die als Bösewichte groteske Grimassen ziehen, überbordende Actionszenen, die auf traditionelle Panels verzichten und bei deren Anblick der Leser erst einmal die gezeichneten Gliedmaßen sortieren muss. Und all das schön bunt. Heute hat Daniel seinen eigenen Stil gefestigt und gehört zu DC’s Batman-Stammtruppe. Und Alan Moore widmet sich dankbarerweise ab und an noch immer dem Medium Comic. Mehr dazu demnächst. (bw)
Spawn: Blood Feud – Blutfehde
Text: Alan Moore
Bilder: Tony S. Daniel, Kevin Conrad
116 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
14,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-516-3