
Üblicherweise sind es ja eher kosmische Bedrohungen, die der Mann aus Stahl von seiner zweiten Heimat abwehrt. Aber als sein alter Weggefährte Batman ihn auf einen Entführungsfall in Gotham hinweist, regt sich die menschliche Seite im Kryptonier: ein verletztes kleines Mädchen gibt Superman im Krankenhaus den Hinweis, dass ihre Schwester Alice von Aliens mitgenommen wurde nach „da oben“. Superman nimmt die Spur auf, die ein verblassender Zeta-Strahl hinterlassen hat – Batman bleibt als Hüter der Erde zurück, Lois sorgt sich um ihren Liebsten, aber zeigt Verständnis.
Alsbald entspinnt sich ein Wettrennen mit der Zeit, in dem Superman stets neue Hinweise auf den Verbleib von Alice, aber auch auf neue Herausforderungen trifft. Er überlebt den direkten Kontakt mit dem Zeta-Strahl, tritt in einem intergalaktischen Boxkampf gegen den Hünen Mighto an, wo ihm als Lohn weitere Tipps für seine Suche winkt, gerät dank Zeitriss in eine Offensive der Easy Company um Sergeant Rock, tritt in einem Wettlauf um die Erde gegen den schnellsten Mann der Welt Flash an, gerät sogar in die Fänge von Darkseid und macht, während die Erde von einer gewaltigen Roboter-Armee attackiert wird, endlich die gefangene Alice ausfindig…
Vollkommen außerhalb jeglicher Kontinuität, dadurch wunderbar lesbar, aber dennoch gespickt mit Referenzen auf das gesamte DC-Universum – mit dieser Kombination liefert Starautor Tom King (u.a. Strange Adventures, Human Target, Rorschach) eine wunderbare Hommage an den Mann aus Stahl. Inhaltlich geht es um nichts weniger als die Frage, die schon ein gewisser Kapitän Kirk und sein erster Offizier Spock klären mussten: wiegt das Wohl des Einzelnen manchmal nicht doch schwerer als das Wohl vieler? Superman sieht sich mit seiner zutiefst menschlichen Seite, kultiviert von seinen Adoptiveltern in Kansas, konfrontiert.
In einer wunderbaren Szene, in der ein Blitz die Seiten Kal-El und Clark Kent spaltet (im Original treffend „Man and Superman“ betitelt, eine Referenz auf Nietzsche und George Bernard Shaw gleichermaßen), entspinnt sich ein Dialog, in der kryptonische Konsequenz und Pflichtbewusstsein mit den menschlichen Qualitäten Hoffnung und Empathie aufeinandertreffen. Kinder haben immer Hoffnung, diese Tendenz zieht sich durch die gesamte Reise, auf der auch der alte Haudegen Sergeant Rock auftreten darf – erfunden von Joe Kubert, gezeichnet hier von seinem Sohn Andy, der auch die restlichen Elemente episch inszeniert.
Nicht fehlen darf auch eine kleine Behördensatire (wunderbar die Episode, als Superman in einer Art intergalaktischer Telefonvermittlung endlos auf eine Schaltung zu Lois warten muss), aber das Highlight für DC-Kenner sind natürlich die beiden Folgen, die auf die epochalsten Kämpfe in ganz DC-Land verweisen: den Boxkampf kennen wir aus dem Kampf des Jahrtausends Superman gegen Muhammad Ali (1978 aus der Feder von Neal Adams und Denny O’Neil), und das große Rennen, zu dem im Original erstmals 1967 der Startschuss fiel, durften wir in Deutschland 1977 als Band 2 der legendären Riesenlappen „Superman Sonderausgabe“ erleben. Mehr wohlige Nostalgie geht nicht. Wunderschön! Der vorliegende Band enthält die komplette Storyline „Superman: Up in the Sky“ 1-6, die erstmals 2019 erschien und hier sicherlich auch mit Blick auf das neue Leinwand-Abenteuer des Manns aus Stahl neu aufgelegt wird. (hb)
Superman: Jenseits der Erde
Text: Tom King
Bilder: Andy Kubert
176 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
24 Euro
ISBN: 978-3-7416-4295-1