Jugendjahre können schwierig sein: als die kleine Lam Cullen (benannt nach dem Engel Lam Lamassu) durch Schlangenbiss einen Arm verliert, bastelt ihr der Vater, der Prediger Cash Cullen, jeweils eine mitwachsende Prothese. Der Vater, der immer wieder tagelang verschwindet, scheint dabei ein seltsames Doppelleben zu führen: in seinem Notizbuch findet Lam immer wieder Einträge mit dem vielsagenden Titel „Hell“. Nach dem Tode des Vaters, von dem sie sich über die Jahre entfremdet hat, findet Lam heraus, dass er wohl mitten in einer weltumspannenden Schlacht stand: vor Urzeiten fielen die Stoffe Halo (gutes Zeug, bringt Material für Waffen der Guten) und Horn (böse Sache, bringt teuflische Energie) auf die Erde, ein Scherflein aufrechter Recken sammelt die Reste von Halo getreulich ein, schmiedet Waffen daraus und bekämpft damit die immer mehr um sich greifende Dämonenplage, die sich vom deutlich häufiger vorkommenden Horn nährt.
Der Herr Papa hatte dabei einen Kampfgefährten namens Gus, seines Zeichens selbst 100.000 Jahre alter ex-Mensch, jetzt Dämon, der durch einen Halo-Stirnreif jeweils gebändigt wird. Mit dem Dämonenjägern, die sich Glorien nennen und als Logo die Atomzahl Null auf den Spandex-Anzügen tragen, schlägt Gus sich wacker – und als man aus den Aufzeichnungen des Vaters den Hinweis entnimmt, dass demnächst ein lang ersehnter Halo-Meteor niedergehen soll, macht sich der Glorien-Trupp auf in Richtung prognostizierter Einschlagstelle. Auf dem Weg per Privatjet greift gleich diverses Kroppzeug an, was man zwar noch zurückschlagen kann – aber die Hinweise, dass ein Verräter inmitten der Glorien weilt, mehren sich. Als solcher entpuppt sich in der Tat alsbald die Anführerin June, die enthüllt, dass sie längst der Plage zum Opfer gefallen ist und neben dem alten Stamm von Gus auch die dämonisierten Überreste von Lams Vater auffährt…
X-Men meet X-Files! So könnte man diese wilde High-Concept-Geschichte aus der Feder von Batman-Vielschreiber Scott Snyder und Zeichner Greg Capullo (u.a. ebenfalls Batman und natürlich Spawn) wohl am besten bezeichnen, in der von einer uralten Fehde zwischen Engeln und Dämonen schwadroniert wird, die von einer Gruppe kostümierter Helden in Schach gehalten wird. Dass Meteore quasi das Gute und Böse auf die Erde bringen, das durften Mulder und Scully schon in „Tunguska“ erfahren und auch Professor Quatermass in seinem Pit ausbaden. Dabei gibt es den Jet der X-Leute genauso wie eine Fassung des Hulk: der gute Gus dreht ohne sein beruhigendes Halo-Stirnband komplett durch und wird zu einer Art wildgewordenem Hellboy.
Gleichzeitig trieft die Chose von Selbstironie und Meta-Ebene: Lam und Gus wenden sich permanent an den geschätzten Leser, warnen vor den drastischen Ereignissen, die bevorstehen und übertreiben dabei nicht: explizit ist gar kein Ausdruck für die Achterbahnfahrt, die wir erleben. Die Klingen aus Halo werden dabei nur vom Glauben aktiviert, und zwar an irgendwas, muss nicht unbedingt religiös sein: so versucht es Lam mit dem Glauben an Beyoncé und auch die Reichensteuer (daran sollte man nie glauben!), was alles nichts bringt. Damit also eine wilde Melange aus Horror, Superhelden und Action, die jede Menge diebische Freude bereitet und bei Splitter mit einem ausführlichen Anhang mit Skizzen und Entwürfen erscheint. (hb)
We have Demons
Text & Story: Scott Snyder
Bilder: Greg Capullo
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro
ISBN: 978-3-98721-236-9