Sieben Jahre ist es jetzt her, als sich das Märchenbuch schloss. Denn Fables, jene wunderbare Vertigo-Fantasy-Serie, wurde von den beiden Machern Bill Willingham und Mark Buckingham mit der extra-dicken US Ausgabe #150 beendet. Bei Panini erschien jenes Finale in Band 26 der Reihe – die beiden noch folgenden Nummern waren jeweils abgeschlossene Spin-Offs. Wir erinnern uns: Fabletown, jenes Refugium, das magisch vor den Menschen verborgen mitten in Manhattan stand, wurde nach einem Kampf zwischen Cinderella und Frau Totenkinder zerstört und war nicht länger unsichtbar, weshalb die Magie sich in unsere Welt, die der Menschen, ergoss. Fast alle Fables, die dort lebten, machten sich rechtzeitig aus dem Staub und kehrten in ihre nun sicheren Welten zurück. Und die Familie Wolf – Bigby, Snow White und die Kinder – wählte als neue Heimat die Welt Hessen (!) mit dem riesigen Wald Black Forest (!!), nachdem die epische Schlacht zwischen Rose Red und Snow White nicht stattfand.
Jetzt nehmen Willingham und Buckingham (mit der Stamm Mannschaft Steve Leialoha als Tuscher und Lee Loughridge als Kolorist) den damals vermeintlich beendeten Faden wieder auf und präsentieren tatsächlich eine neue Storyline, die bei Panini als Miniserie in zwei Sammelbänden veröffentlicht wird, mit einer neuen Nr. 1, während man in den USA mit Heft #151 die alte Nummerierung weiter führt. Und damit gleich vorweg: ein Neustart ist es nicht, die Story geht nahtlos weiter, schließt direkt an Heft #150 an, weshalb alle, die die Serie und deren Charaktere nicht kennen und die Willens sind, jetzt neu einzusteigen, bemitleidenswert, weil restlos überfordert erscheinen… Dazu eröffnet Willingham gleich mehrere parallel laufende Handlungsstränge, zwischen denen er munter wechselt: Im zerstörten Fabletown, in dem Bürgermeister King Cole noch immer ausharrt, taucht der nächste Bösewicht auf. Dann verfolgen wir Gwen, alias Jack in the Green, in ihrer neuen Rolle, wie auch die Ankunft der Familie Wolf in „Hessen“.
Nach und nach werden diese neuen Storyfäden breiter und beginnen sich zu verknüpfen. Dazu gesellen sich diverse Überraschungen – so weilt ein vermeintliches Opfer des damaligen Finales wieder unter den Lebenden; und auch Gepetto, jenem tyrannischem Holzsoldaten-Bastler, begegnen wir erneut, mit einem nicht minder überraschenden Verlauf. Dann darf noch jedes der Kinder von Bigby und Snow White ein eigenes Abenteuer im Black Forest bestehen, auch hier kreuzen sich Geschichten und deren Figuren. Dabei setzt Willingham auf die scheinbar unerschöpfliche Formel, die sich zudem nie abzunutzen scheint: Seine Figuren sind Märchen- und Sagen-Wesen, Charaktere aus Legenden, Fantasy- und Horror-Literatur und mythologische Geschöpfe aus der ganzen Welt, die er jedoch nicht immer so präsentiert wie wir sie kennen oder zu kennen glauben. Manche Figuren vereinen mehrere Vorbilder auf sich, andere werden konsequent weiterentwickelt, wieder andere komplett entgegen ihres Images präsentiert. Wie hier der kommende Bösewicht und sein Sidekick.
Willingham schreibt wieder virtuos und bedient sich der endlosen Möglichkeiten seiner Fantasy-Welt, als hätte er die Serie nie beendet und verlassen. Als Stammleser fühlt man sich sofort wieder heimisch. Und: man fragt sich unweigerlich, wie Willingham die diversen Handlungen in nur einem Folgeband sinnvoll beenden will und kann (damit man sich hier nicht zu heimisch fühlt, hat Panini die im Original als „The Black Forest“, also Schwarzwald betitelte Mini-Serie in „Im tiefen, dunklen Wald“ umbenannt). Oder ist das gar nicht seine Absicht und es geht danach noch weiter? Wir hätten zumindest nichts dagegen. Auch Mark Buckinghams Zeichnungen strahlen wieder – nicht nur durch die kräftigen Farben – in der gewohnten Eleganz (die man auch in der aktuellen Miracleman-Fortsetzung bewundern kann). Seine Seiten sind wie gehabt rechts und links von schmalen Ornament-Balken eingerahmt und die Panel-Anordnung ist bis auf einige Ausnahmen eher traditionell. Wir sind gespannt, was die beiden Märchen-Onkel in Band 2 noch so alles in petto haben. (bw)
Fables, Band 1: Im tiefen dunklen Wald
Text & Story: Bill Willingham
Bilder: Mark Buckingham, Steve Leialoha, Lee Loughridge
156 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19 Euro
ISBN: 978-3-7416-2975-4