Michel Tanguy und sein Kumpel Ernest Laverdure, zwei angehende französische Jagdflieger, werden zum Abschluss ihrer Ausbildung nach Marokko versetzt, in den Stützpunkt Meknès. Dort teilt man sie dem schroffen Ausbilder Leutnant Darnier zu, wie auch einen weiteren Neuankömmling namens Jacques de Saint-Hélier. Der macht sich sogleich unbeliebt, erscheint arrogant, unzugänglich und wird dadurch schnell zum Außenseiter. Tanguy ist sich sicher, dass mehr hinter dem Benehmen Saint-Héliers steckt, muss sich aber dann mit einem Ernstfall beschäftigen. Denn einer unbekannten Macht gelang es, eine streng geheime Rakete nach dem Start abstürzen zu lassen, irgendwo in dem unzugänglichen Gebiet des Atlasgebirges. Beide Parteien suchen nun fieberhaft nach der Rakete, wobei die Franzosen ins Hintertreffen geraten. Denn zuerst wird Darnier abgeschossen und dann gilt auch noch Saint-Hélier als vermisst…
„Die Schule der Adler”, die erste Geschichte des Comic-Klassikers, umfasst 84 Seiten und erschien erstmals auf den Seiten des neuen Magazins Pilote, und zwar ab der Nummer 1, die 1959 an die Kioske kam. Es war Jean-Michel Charliers (Blueberry, Der Rote Korsar) zweite große Fliegerserie nach „Buck Danny“, die er bereits 1947 schuf. Die Besonderheit: französische Piloten, die auf (vormals) französischem Territorium ihre Abenteuer erlebten. Viele Elemente der Geschichte könnten auch aus einem Abenteuer des älteren Fliegerkollegen stammen: der unbekannte Feind, der über beträchtliche Ressourcen verfügt, verschollene Piloten und eine Figur, die für den Humor zuständig ist (hier Ernest Laverdure, dort Sunny Tuckson). Trotz der Ähnlichkeiten ist die Story spannend geschrieben und gut gealtert. Aber trotz der sicherlich fundierten Technik-Recherche (Charlier war selbst Pilot) und des realistischen wie detaillierten Stils Uderzos schimmern bei einigen Charakteren Asterix-Figuren durch, wie Leutnant Darnier, der bei manchen Darstellungen fast als römischer Zenturio durchgehen würde.
Bei uns kann die Reihe inzwischen auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Erste Flugversuche unternahmen Tanguy und Laverdure bereits in den Sechzigern in Kaukas „Lupo Modern“ unter dem Titel „Rolf und Miki“ (Siggi und Babarras lassen grüßen – tatsächlich war Asterix ja auch eine Pilote-Serie), ehe man als „Mick Tangy“ im Koralle-Zack eine längere Heimat fand, inkl. der ersten Alben-Veröffentlichungen als Zack Comic Box. In den Achtzigern folgte dann das Debut bei Ehapa (als „Mick Tanguy“) in den „Großen Flieger- und Rennfahrer Comics“, bis der alte Splitter Verlag einen Neustart wagte, erstmals unter dem fast richtigen Titel „Die Abenteuer von Tanguy und Laverdure“.
Nach weiteren Veröffentlichungen bei Kult (hier führte man die Splitter-Serie fort) und Carlsen brachte Ehapa ab 2009 eine erste Gesamtausgabe auf den Markt. Löblich, aber mit einem großen Manko, denn das Album „Der grosse Bluff“, von Al Coutelis gezeichnet und das letzte aus der Feder von Autor Charlier, durfte aus rechtlichen Gründen nicht darin enthalten sein und fehlte somit. Jetzt startet Ehapa/Egmont einen neuen Versuch, was einen Vergleich der beiden Gesamtausgaben zulässt. Zuerst das Äußere: das neue Teil hat kaum Gewicht und ist bei seinem für Gesamtausgaben geringen Umfang (nur 120 Seiten) nicht gerade günstig. Aber: Die Seiten sind neu koloriert, die teilweise grellen und bunten Farben (was beispielsweise auf dem Hochglanzpapier bei Splitter schrecklich aussah) sind Geschichte und einer realistischen und stimmigen Farbgebung gewichen, die auf dem matten Papier gut transportiert wird.
Der einleitende Sekundärpart ist umfangreicher als in der alten Gesamtausgabe und beschäftigt sich mit den Gründern und der Gründung von Pilote; das Layout (v.a. das Cover) ist weniger altbacken und moderner. Wer die alte Gesamtausgabe nicht kennt und/oder nicht sein eigen nennt und wer den Preis akzeptiert (Band 2 wird bei gleichem Preis mehr Umfang haben), kann hier gerne zugreifen. Ansonsten muss man sich eben entscheiden. Übrigens sind Tanguy-Titel auch bei Salleck Publications im Programm: Zwei Klassik-Bände als Comic-Adaption eines Tanguy-Romans von Charlier, sowie die neuen Alben, mit denen die Reihe mit neuen Kreativ-Team fortgesetzt wird. Ob die aktuelle Gesamtausgabe dann wieder Lücken aufweisen wird, wird sich zeigen. Der nächste Band soll im Januar 2023 erscheinen. (bw)
Tanguy und Laverdure Collector’s Edition, Band 1: Die Schule der Adler
Text: Jean-Michel Charlier
Bilder: Albert Uderzo
120 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
39 Euro
ISBN: 978-3-7704-0317-2