Halo Jones, Band 3 (Panini)

August 26, 2021
Die Ballade von Halo Jones, Band 3 (Panini Comics)

Karrieren verlaufen manchmal anders als gedacht. Eben war Halo noch unterwegs zu den Sternen auf dem schmucken Raumkreuzer Clara Pandy, dann bekommt ihre Laufbahn nach Ankunft beim ersten Ziel einen jähen Knick, und Halo mustert ab. Sie tingelt durch die Galaxis, nimmt Gelegenheitsjobs an, während es zu Hause auf der Erde zu einem Massaker in ihrer alten Heimat, dem dicht bevölkerten Ring, kommt. Irgendwann landet sie dann als Dauergast in schummrigen Bars auf dem abgehalfterten Planeten Kozz – nomen est omen. Da erscheint eines Tages eine neue Perspektive in Form ihrer alten Freundin Toy Molto, die neues Futter fürs Militär rekrutiert, und zwar gleich als Besatzung für die Ehrenbarge. Nachdem sie völlig abgebrannt ist, sagt Halo zu und erlebt schnell die Wahrheit hinter den blumigen Rekrutierungsbroschüren – so etwa, dass in der Tat 40% aller Soldaten nie kämpfen müssen, eben weil sie schon beim Anflug auf den jeweiligen Planeten draufgehen. Ist doch beruhigend, oder?

Nachdem die Erde nach wie vor im Dauerclinch mit dem Tarantula-Nebel ist, geht es dann von einer Kriegszone zur nächsten: auf Lobis Loyo gerät Halos Zug im Steinernen Wald unter schweren Beschuss und kann sich gerade noch retten, indem der Heckenschütze (ein kleines, verschrecktes Kind) einfach umgemäht wird. Auf der Nachtpatrouille gerät der Zug dann in einen Hinterhalt und erleidet schwere Verluste, zu der auch Halos alte Gefährtin Toy zählt. Halo verzweifelt an der Situation, schneidet sich die Haare radikal ab und quittiert angewidert den Dienst – nur um festzustellen, dass ihr außer der Armee gar nichts geblieben ist. Wieder in Amt und Würden, lautet das nächste Ziel die Kriegszone 1, also das Zentrum des Konflikts: auf Moab, einem gigantischen Riesenplaneten mit alles vernichtender Schwerkraft, toben immer wieder Kämpfe zwischen den menschlichen Besatzern und dem Tarantula-Volk. Den ständigen Tod vor Augen, nähert sich Halo der treffend bezeichneten Mitsoldatin „Lebenslänglich“ an, die auch mehrfach hingeworfen und wieder angeheuert hat. Im Malm, der ultimativen Kriegszone, kommt es dann zum endgültigen Showdown…

Halo wird erwachsen! So etwa könnte man diese Abenteuer, die im Frühjahr 1985 in 2000 AD erschienen, umschreiben. Standen in den ersten Ausritten der eigenwilligen Heldin noch die satirisch-beißenden Elemente sowie antiutopischen Züge im Vordergrund (Überbevölkerung und soziale Spannungen à la Judge Dredd), kommen hier nun vor allem gegen Ende des Handlungszyklus um den Tarantula-Krieg durchaus existentialistisch-tragische Elemente zur Geltung. Satirisch geht es durchaus noch in den Rekrutierungs- und Ausbildungsepisoden zu, die ganz nach dem Motto „You’re in the Army now“ zeigen, wie krass sich die Realität von den Hochglanzbroschüren der Anwerber unterscheidet. Hübsch auch Halos Abscheu vor den fürchterlichen Speisen, die die ungehobelten Einheimischen zu sich nehmen, bis hin zur „geronnenen Milch“, die seltsame Teigfladen bedeckt (wir würden das ganz entspannt als mit Käse belegte Pizza bezeichnen). Die Ureinwohner des Planeten Moab haben die Religion der Kolonisten angenommen, nennen sich Moabiter und frönen laut Halos Aufzeichnungen einem seltsamen schwarzen Buch, in dem „nur brutale Geschichten“ stehen und das auf der Erde längst verboten ist.

Je mehr Halo aber in den Krieg hineingezogen wird, desto finsterer wird das Geschehen: der Tod Toys stürzt Halo in eine tiefe Sinnkrise, die sich in der zynischen „Lebenslänglich“ spiegelt. Treffendweise führt auch Halos zarte Annäherung an den grimmen General Cannibal nur zu bitterer Enttäuschung, als Halo feststellen muss, dass die irdischen Kriegsherren ganz bewusst alle Regeln brechen und einen verbotenen Rattenkrieg gegen die Zivilbevölkerung führen – hier dürfte Alan Moore unter anderem an den Vietnam-Krieg gedacht haben, nicht umsonst ist der Titel der Episode „Armies Of The Night“ vom gleichnamigen Antikriegsroman aus der Feder von Norman Mailer entlehnt, den man auch als Autor von „Die Nackten und die Toten“ kennt. Gegen Ende muss Halo dann bitter eingestehen: „Ich bin gleichgültig, einsam und 33 Jahre alt. Alle meine Freunde sind tot.“ Eine wahrlich elegische Einsicht, die sie nicht daran hindert, der Armee und Cannibal endgültig den Rücken zu kehren und zu neuen Abenteuern aufzubrechen. Das nennt man wohl Durchhaltekraft. Auch dieser Band erscheint wieder im extragroßen Hardcover-Format mit feiner Aufmachung und Dreingaben, unter anderem einem Auszug aus Alan Moores Original-Skript. (hb)

Die Ballade von Halo Jones, Band 3
Text: Alan Moore
Bilder: Ian Gibson
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
23 Euro

ISBN: 978-3-7416-2165-9

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