Maximaler Drokk! Manche Perps wird man einfach nicht los: da war sich Dredd doch eigentlich so sicher, den durchgeknallten Maschinen-Propheten Erzbischof Emoji ordentlich abgeurteilt und ins Jenseits befördert zu haben. Aber einige Jahre später tritt der gleiche Hetzer wieder in Mega City One auf und stiftet seine Anhänger zu Terrorakten an. Dagegen haben die Gesetzeshüter ganz gewaltig etwas einzuwenden und mischen die Meute gehörig auf, aber Emoji gelingt die Flucht in Richtung Verfluchte Erde. Genauer gesagt in den Dschungel des Alabama Morasts, der weitgehende terra incognita ist. Dredd hält das nicht davon ab, mit seinen Kollegen Anderson und Gilligan die Verfolgung aufzunehmen. Kaum hat man Emoji gestellt und aufgrund einer ganzen Litanei von Verfehlungen abgeschaltet, erleben die Judges ihr blaues Wunder: eine Horde von zu Halbmenschen mutierten Tieren fällt über sie her und lässt die Herrschaften trotz Lawgiver relativ alt aussehen.
Man verschleppt die Judges ins Hauptquartier von Dr. Niels Reinstöt, einem durchgeknallten Wissenschaftler, der von der Idee der Genmischung fasziniert ist. Dabei ist ihm durch Zufall auch die DNA eines gestrandeten Viechs in die Hände gekommen, dass jeder versierte Leser sofort als Alien erkennt. Seine Vasallen haben im Dschungel aber nicht nur Reste des Alien, sondern auch ein weiteres Wesen aufgegriffen, das offenbar gerade auf der Jagd nach neuen Trophäen war. Nachdem die Kreuzungs-Versuche mit diesem Predator schiefgingen, will Reinstöt nun frohgemut seine Experimente an den vier gefangenen Judges weiterführen und setzt den unglückseligen Gilligan dem fremdartigen Erbgut aus. Das klappt famos, aber Reinstöt hat wenig Zeit, sich über seinen Erfolg zu freuen – offenbar konnte der Predator noch einen Notruf absetzen, den seine Freunde gehört haben und nun äusserst rabiat darangehen, ihren Kameraden zu retten. Und inmitten dieses Wahnsinns müssen Dredd und Anderson irgendwie ihren Kopf bewahren…
House of Predator! Son of Dredd! So oder so ähnlich hätte dieses Rezept im Kino der 40er Jahre geklungen, als man im Hause Universal möglichst viele klingende Namen zusammenrührte. Dass sich Aliens und Predatoren aufs Messer bekriegen, ist sogar dem breiteren Filmpublikum mittlerweile bekannt, und auf den Seiten der bunten Bilder gab es schon so ziemlich jede Konstellation unter der Sonne, am kuriosesten vielleicht die Konfrontation „Batman & Superman versus Aliens & Predator“, in der eigentlich nur noch der gute Brian fehlt. Das dystopische Zukunftssetting der Mega City One und der umliegenden verseuchten cursed earth liefert da einen einigermaßen passenden Anlass zur großen Keilerei mit dem Mann, der das Gesetz ist und niemals den Helm abnimmt. Vor allem aber bastelt John Layman eine astreine Mad Scientist-Story, die daherkommt, als ob H.G. Wells seinen Dr. Moreau (der ja bekanntlich seinerseits Tier ein Menschen zu verwandeln versuchte) einmal durch den Science Fiction-Wolf dreht, sich einen Skriptautor aus dem Hollywood der 30er schnappt und dann einen klassischen Anti-Utopie-Streifen der 70er bastelt.
Ganz explizit ist der verrückte Wissenschaftler Dr. Reinstöt (pseudodeutsche Namen waren im klassischen Hollywood für Bösewichte ja immer gerne genommen) an Bela Lugosi in „White Zombie“ angelehnt, komplett mit Backenbart und irrem Blick (allerdings auch mit zahlreichen Augen, die ihm durch seine anfänglichen Experimente mit Spinnen-DNA gewachsen sind). Eher kurz blitzen dabei die beißenden satirischen Elemente auf, die die Dredd-Figur zum erfolgreichsten britischen Comic-Export werden ließen: wenn er den Perps gerne „nur 100 Jahre Iso-Haft“ anbietet oder schier endlose Strafregister herunterrattert, zeigt sich der ironisch-prophetische Atem, den diese Figur atmet – und die schon fast gespenstische Prognosesicherheit, mit der mit Mega City schon Mitte der 70er eine Welt skizziert wurde, die hinter einer Mauer lebt, in der die politikmüde Bevölkerung autoritär-faschistoide Strukturen stützt und in der der sprichwörtliche „starke Mann“ mit Lawgiver und Motorrad ohne Ansehen der Person urteilt und vollstreckt. Einen kleinen modernen Schlenker bringt dann noch der cyber-Terrorist Emoji, der nur in den mittlerweile in den Sprachgebrauch sickerden Internet-Troll-Kürzeln LOL, ROFL, WTF etc. spricht. Gezeichnet ist das Ganze von Chris Mooneyham schmissig, traditionell, sehr knallig und passt sich somit hervorragend ins Geschehen ein. Der vorliegende Band bringt die US-Original-Ausgaben 1-4 der Mini-Serie Predator vs. Judge Dredd vs. Aliens, die 2016 erschien. (hb)
Predator vs Judge Dredd vs Aliens
Text: John Layman
Bilder: Chris Mooneyham
112 Seiten in Farbe, Softcover
Cross Cult
15 Euro
ISBN: 978-3-95981-394-5