Batmans Grab, Band 1 (Panini)

November 6, 2020
Batmans Grab, Band 1 (Panini Comics)

Einfühlsamkeit hat man ja üblicherweise nicht unbedingt als Charakterzug des dunklen Ritters ganz oben auf der Liste. Wenn es aber darum geht, sich zur Aufklärung diverser Missetaten physisch und auch emotional in die Lage des Opfers zu versetzen, dann beherrscht Batman diese Kunst bis zur Vollendung. Ist auch bitter nötig, immerhin wird er, nachdem er einen Überfall auf Officer Ngyuen vereitelt, von Alfred zu einem Schauplatz eines grimmen Verbrechens gelotst. Der ehemalige Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Vincent Stannik ist abgängig, aus seinem Apartment dringt ein beißender Gestank, und wenig überraschend findet Batman im heruntergekommenen Zimmer nur noch die Leiche Stanniks – umgeben von Zeitungsausschnitten über den Mitternachtsdetektiv und weitgehend ohne Gesicht. Das ist natürlich seltsam, weshalb Batman sich daheim in der Bathöhle ín eine Computersimulation des Tatorts begibt, um die Sache zu rekonstruieren.

Butler Alfred ist dabei keine große Hilfe: seit dem Tod von Bruce Waynes Eltern pflegt er ein drittes leeres Grab auf Wayne Manor, das – so ist er überzeugt – irgendwann bald die Heimstatt seines Arbeitsgebers sein wird, der aus seiner Sicht nicht viel besser ist als die Lumpensöhne, mit denen er sich herumprügelt: nur privilegierter und besser ausgestattet. Derweil kombiniert Batman messerscharf, dass der Täter noch vor Ort sein muss und wird zurück in Stanniks Wohnung auch tatsächlich mit einem irren Springteufel konfrontiert, der offenbar völlig psychopathisch veranlagt die Gesichter seiner Opfer frisst und sich dann am Tatort einnistet. Kaum hat Batman diesen Kollegen namens Eduardo Flamingo (nicht verwandt mit Enrico Palazzo) nach Arkham verfrachtet, droht schon neues Ungemach: Boby Turton, ebenfalls ex-Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, dann dank Mafia-Kontakten zu Geld und Reichtum gekommen, sitzt tot an seinem Schreibtisch, die Selbstmord-Pistole noch in der Hand.

Auch hier stimmt allerdings etwas gewaltig nicht, denn Batman wird auch an diesem Tatort von einem monströsen Angreifer attackiert, vor dem er nur noch Reißaus nehmen kann – nicht ohne dabei allerdings das Lexikon mitzunehmen, das auf Turtons Tisch stand. Über diese sprachgesteuerte künstliche Intelligenz flüsterte dem guten Turton offenbar ein, jede Menge Drogen einzupfeifen und sich schließlich wegzupusten. Bald nimmt Batman die Spur zum Psychiater Dr. Hellfern auf, der wohl hinter dieser fiesen Masche steckt und sich durch Selbstinjektion einer massiven Dosis Halluzinogene elegant aus dem Verkehr zieht. Alle Wege führen somit nach Arkham, wo Batman und Polizeichef Gordon damit konfrontiert werden, dass nicht nur die terroristische Scorn-Armee, sondern auch Professor Arkham himself an der Verschwörung beteiligt sind…

Die limitierte HC-Variante

In seiner insgesamt 12teiligen Miniserie gelingt Warren Ellis das kleine Wunder, der Welt des Bruce Wayne doch tatsächlich neue Facetten hinzuzufügen. So etwa steht die Fähigkeit, einen Tathergang bis ins Kleinste auch optisch zu rekonstruieren, nicht nur in bester Tradition von Bat-High-Tech gekoppelt mit CSI, sondern lässt auch einmal mehr tief in die gestörte Psyche unseres Flattermanns sehen, der stets damit rechnet, sofort selbst nach Arkham eingewiesen zu werden, sobald Gordons schützende Hand verschwindet. Besonders eindrucksvoll allerdings gerät die Charakterisierung des Alfred Pennyworth, der vom zuverlässig-versnobten Nobel-Haushälter zu einer Art schlechtem Gewissen avanciert: er hält seinem Chef permanent Moralpredigten, betont dessen Schizophrenie, säuft gerne einmal eine Flasche Single Malt (namens „Macallum“ – ein Schelm, der dabei an echte Marken denkt) und merkt nur teilweise scherzhaft an, dass er nur dank feinstem Kokain so gut funktioniere.

Dazu gesellen sich in Form des clownhaften Menschenfressers Flamingo (wirkt fast wie Hannibal Lecter auf Speed) und des irren Psychiaters Hellfern (nomen est omen, und gerne denken wir hier auch an Professor Strange) komplett derangierte Figuren, die die Sache durchaus beklemmend machen. Star des Geschehens ist aber ganz eindeutig die zeichnerische Gestaltung von Bryan Hitch (der bei „The Authority“ bereits mit Warren Ellis zusammenarbeitete), die dynamisch die Panels zu sprengen scheint: eng an der realen Physiognomie (selten saß Batmans Anzug so gut) und vor allem in den oft wortlosen Kampfszenen über mehrere Seiten kredenzt uns Hitch die knalligste Batman-Version seit langer Zeit. Lange Zeit ist leider auch das richtige Stichwort: nach diesem Band 1, der die Originalhefte „The Batman’s Grave“ 1-6 von Dezember 2019 bis Mai 2020 zusammenfasst, müssen wir uns leider nun bis Anfang 2021 gedulden, wenn wir wissen wollen, wer hinter der ganzen Sache steckt. Aber das kriegen wir auch hin. (hb)

Batmans Grab, Band 1
Text: Warren Ellis
Bilder: Bryan Hitch
164 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19 Euro

ISBN: 978-3-7416-2015-7

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