Ausgerechnet Mia Hardy, jüngster Spross einer berühmten Forscherfamilie, wird damit betraut, den Mord an ihrem Vater, Dr. Hari Hardy, aufzuklären. An sich schon eine belastende Aufgabe, die noch schwerer wird, da der Mord in der (passend benannten) Tiefseestation Dept. H geschah, deren Konstrukteur und Leiter Dr. Hardy war. Dept. H liegt in über sechs Meilen Tiefe und ist von einer kleinen Mannschaft bewohnt. Einer von ihr muss also der Mörder sein. Gemeinsam mit Q, dem tumben Sicherheitschef, fährt sie hinab zur Station und trifft deren Besatzung, darunter Lily, eine alte Sandkastenfreundin, Roger, Geschäftspartner und bester Freund ihres Vater und Raj, Mias älterer Bruder. Schon bald nachdem sie den Tatort – ein implodierter und gefluteter Teil der Station, in dem sich die Leiche ihres Vaters noch immer befindet, inspiziert, passieren diverse Zwischenfälle. Zuerst wird die Hauptantenne beschädigt, die den Kontakt zur Oberfläche gewährleistet. War es ein Wal oder doch Sabotage? Bei einem Tauchgang in die Tiefe verschwindet Raj und ehe Mia nach ihm suchen kann, öffnet der geistig labile Forschungsleiter Jerome die Luken der Station – was nur der Beginn einer ständigen Bedrohungslage ist.
Bei seinem Unterwasser-Science-Fiction-Thriller/Krimi macht Autor und Zeichner Matt Kindt, der sonst im Superhelden-Genre beheimatet ist, ein gewaltiges Fass auf, indem er sich etlicher Motive aus einschlägigen Filmen und Literatur bedient. Einen unzugänglichen, lebensfeindlichen und von der Welt abgeschotteten Tatort, an dem ein Verbrechen aufgeklärt werden muss, kennt man beispielsweise aus „Whiteout“ oder aus „Outland – Planet der Verdammten“. Die Tiefsee-Episoden samt seltsamer Wesen und einer riesigen Höhle, in der Luft vorhanden ist, erinnern an James Camerons „The Abyss“ oder an diverse Klassiker von Jules Verne. Der feste und überschaubare Kreis an Verdächtigen, von denen am besten jeder ein mögliches Motiv aufweisen kann, ist natürlich ein fester Bestandteil von Agatha Christie Krimis. Trotz all dieser Einflüsse verlieren Matt Kindt und damit auch die Leser in der Story nicht den Überblick, was daran liegt, dass handlungstechnisch zwar viele Pfade begangen werden, aber keiner bis zum Ende. Die Story kehrt immer rechtzeitig zum Hauptmotiv, der Aufklärung des Mordes, zurück. So bleiben vorerst viele Fragen offen. Dazu kommen noch wunderbare Ideen, wie etwa die „sprechenden“ Seespinnen.
Die Hauptperson Mia wird als taffe junge Dame charakterisiert, deren Stärke und Schwäche zugleich ist, dass sie bei ihren Vorhaben nicht locker lässt und dabei eine gewisse selbst-destruktive Verbissenheit an den Tag legt. Sie fühlt sich im All wohler (die Hardys betrieben auch einst eine Raumstation, in der sie forschten) und freier, wobei nicht nur der Druck der gewaltigen Wassermassen auf ihr lastet (siehe Titel). Dabei ist sie gezwungen, zu Menschen, die sie gut kennt oder kannte, eine ermittlungstechnisch notwendige Distanz zu wahren und jeden zu verdächtigen. In Rückblenden werden die Beziehungen der Personen untereinander erklärt, so steht es zwischen Mia und ihrem Bruder nicht zum Besten. Offenbar auch nicht mit der Welt, hier grassieren anscheinend Krankheiten, weshalb die Forschungen auf Dept. H so wichtig für die Menschheit sind. Aber wie so Vieles, bleibt es auch hier nur bei Andeutungen. Im Original bei Dark Horse ist die Serie mit 24 Heften abgeschlossen. Da ein Band sechs Hefte umfasst, werden es insgesamt vier werden (hoffentlich, Hinstorff verwendet leider keine Nummerierung). Noch genug Zeit also, Mysterien aufzubauen und zu klären.
Die Präsentation des Bandes ist ungewöhnlich. Die Zeichnungen sind nicht sonderlich detailliert und erscheinen bisweilen sogar grob und ungelenk. Der Stil erinnert in etwa an den von Jeff Lemire („Black Hammer“), nur kräftiger. Passend für Graphic Novels eben. Dennoch vermitteln die Bilder ganz viel Atmosphäre und bedrohliche Stimmungen. Die unbekannte Tiefe, in die man mit futuristischen Gefährten und Taucheranzügen, die wie Aliens aussehen, vorstößt, erweist sich jedoch als bunter und farbenprächtiger als gedacht. Das liegt einmal natürlich auch der zeichnerischen Handarbeit von Matt Kindt, aber auch zu großen Teilen der Kolorierung durch Wasserfarben, die von seiner Frau Sharlene vorgenommen wurde. Diverse Skizzen und Zeichnungen am Ende des Bandes, allesamt von Matt Kindt kommentiert, veranschaulichen den Entstehungsprozess der Personen und des Designs der Serie. Ein spannender Unterwasser-Mix, der neugierig auf die Fortsetzung macht. (bw)
Dept. H: Unter Druck (Band 1)
Text: Matt Kindt
Bilder: Matt Kindt, Sharlene Kindt (Farben)
176 Seiten in Farbe, Softcover
Hinstorff Verlag
20 Euro
ISBN: 978-3-356-02224-7