Zuerst eine kleine Geschichtsstunde: Katanga war eine Provinz der Kolonie Belgisch-Kongo, im Südosten des Landes gelegen. Eine sehr wertvolle Provinz, aufgrund von diversen Bodenschätzen, die dort zu finden waren und die von dem mächtigen Bergbaukonzern Union Minière du Haut-Katanga (UMHK) abgebaut wurden, u.a. Kupfer, Kobalt und Uran. Als 1960 der Kongo seine Unabhängigkeit von den verhassten Kolonialherren erklärt (die dort 80 Jahre lang beispiellos wüteten), spielt Katanga nicht mit. Stattdessen ernennt man sich selbst zum eigenständigen Staat – freilich ohne groß international anerkannt zu werden. Die „Selbstständigkeit“ dauert nur bis 1963, löst aber einen massiven (Interessen-) Konflikt aus, der u.a. das Einschreiten der UNO notwendig macht. Auch die Story hier beginnt mit einem historischen Rückblick, aber einer der anderen Art. Geschildert wird die „Gründung“ Katangas durch den Häuptling Msiri etwa um 1830, der als Despot mit Grausamkeit und Gräuel jedweder Art regiert – womit auch gleich die Vorzeichen für die künftige Geschichte des Landes gesetzt werden.
Zurück zu 1960: Katanga ist unabhängig, was vom „Mutterland“ Kongo (Später Zaire, heute Demokratische Republik Kongo) nicht hingenommen wird. Man will sich verteidigungsbereit wissen und benötigt dazu externe Hilfe. So heuert Armand Orsini, der Sonderberater des Innenministers, in Europa Söldner an, die, um „Stress“ mit der UNO zu vermeiden, offiziell bei der UMHK angestellt und von ihr auch entlohnt werden. Chef der Truppe, die sich in erster Linie aus Mördern und Halsabschneidern zusammensetzt, wird Felix Cantor, Ex-Fallschirmjäger, Nahkämpfer und ein alter Bekannter Orsinis. Die ersten Einsätze gegen den Nord-Kongo verlaufen erfolgreich, diverse Minen werden „befreit“. Dann bekommt Cantor einen Spezialauftrag: in einem von der UNO mehr schlecht als recht kontrolliertem Flüchtlingscamp, in dem mehr als 40.000 Menschen ausharren, befindet sich ein gewisser Charlie, ein Farbiger, der angeblich Diamanten im Wert von 30 Millionen Dollar versteckt hat. Cantor und seine Leute sollen Charlie in dem Camp finden und herausholen. Was sich als echtes Himmelfahrtskommando entpuppt…
Nach „Es war einmal in Frankreich“ (Dt. bei der Zack-Edition) greifen Fabien Nury (u.a. Silas Corey, Ein Sohn der Sonne, W.E.S.T.) und Sylvain Vallée wieder ein historisches Thema auf. Es geht in den Kongo, die ehemalige Privatkolonie des belgischen Königs, wo Massaker an der Bevölkerung und gnadenlose Ausbeutung von Mensch und Land gang und gäbe waren. Auch nach der Unabhängigkeit des Landes kehrte keine Ruhe ein. Als sich Katanga unabhängig erklärte, wüteten in der Provinz Milizen, dazu kam der Konflikt mit dem Nord-Kongo, der Druck von Seiten der UNO und letztendlich der Einfluss der allmächtigen UMHK und damit der Belgier, die ihre reiche Bergbauprovinz nicht so einfach aufgeben wollten. Die Story um die Diamanten klingt gradlinig, ist es aber nicht. Auch haben wir hier keine Söldner-Variante der Expendables. Vielmehr breiten Nury und Vallée zuerst den geschichtlichen Hintergrund sauber und verständlich aus, ehe Machenschaften, Intrigen, Falsches Spiel und Hinterlist die Geschichte prägen. Und Gewalt, teilweise drastisch illustriert, mit der die Macher nicht sparen.
Damit sorgt die Story für allerlei Überraschungen. Zwar gibt es den hinterfurzigen, mordlüsternen deutschen Nazi-Söldner – soviel Klischee muss wohl sein – daneben aber auch zahlreiche Verwicklungen auf verschiedenen Ebenen. So verschweigt Orsini seinem Innenminister gegenüber die Existenz der Diamanten. Der wiederum kanzelt diesen gerne schriftlich ab, wobei es in der Person der attraktiven Alicia, die ihren Körper einsetzt, um zu überleben, zwischen den beiden eine wichtige Verbindung gibt. Doch Alicia treibt nicht nur ein doppeltes Spiel. Sie kennt auch den gesuchten Charlie, was jedoch niemand weiß. Neben dieser verwinkelten, immer wieder für Überraschungen sorgenden Handlung vergessen Nury und Vallée die Action nicht. Als die Mission in dem Flüchtlingscamp eskaliert, steigt erst die Spannung, dann fliegen die Fetzen. Doch auch hierbei setzen die beiden unerwartete Situationskomik ein, die den Band durchzieht und diesem trotz komplexer Story, historischer Schwere und brutaler Szenen eine gewisse makabre Leichtigkeit verleiht. Dafür sorgt auch die Optik Vallées, mit all ihren überzeichneten Gesichtern, die immer mal wieder an einen Funny erinnern. Band 2 ist bei Dargaud in Frankreich bereits erschienen und wird von Splitter Anfang nächsten Jahres veröffentlicht. (bw)
Katanga, Band 1: Diamanten
Text: Fabien Nury
Bilder: Sylvain Vallée
72 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-131-3