The Death of Stalin (Splitter)

März 15, 2018

Kunzewo, Stadt am Rande Moskaus, in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1953. Hier lebt Genosse Stalin in seiner Datscha und hier erleidet er einen Schlaganfall, der ihn bewegungsunfähig macht und ihn seiner Stimme beraubt. Ehe man die Ärzte ruft (jene, die noch leben und die nicht bei einer der beliebten Säuberungsaktionen starben), trifft Lawrenti Beria ein, machthungriger wie skrupelloser Innenminister. Der klaut erst einmal vorsorglich Stalins Akten und versammelt dann seine Politbüro-Kollegen Malenkow, Chruschtschow, Mikojan, Kaganowitsch und Bulganin. Man speist und trinkt und beschließt dann in aller Ruhe das weitere Vorgehen, während der allmächtige Diktator nebenan todkrank in seinem eigenen Urin vor sich hin gammelt. Und nur wenige Tage später, der ganzen bemühten Ärzteschar zum Trotz, stirbt, ohne wieder richtig zu Bewusstsein gekommen zu sein. Die feinen Herren des Politbüros nutzen das Machtvakuum sofort, um eigene Ränke zu schmieden, um sich zu positionieren und sich für künftige Aufgaben zu empfehlen. Auch Aussenminister Molotov (mixt in seiner Freizeit gerne Cocktails), der eigentlich von Stalin „aussortiert“ werden sollte, und die beiden Kinder des Diktators mischen dabei mit, bzw. erweisen sich als zu beseitigende Hindernisse…

Der Band, der als Integral beide Original-Alben umfasst, versteht sich als Polit-Groteske (vor allem Teil 1), die – und das ist der Witz an der Sache – genauso stattfand. Zumindest fast genauso. Soweit man das heute weiß. Denn die Geschehnisse und alle beteiligten Personen waren real. Es beginnt mit der Rundfunkaufnahme, die Stalin unbedingt haben will. Eigens dazu – man hat bei der Live-Sendung keine Aufzeichnung mitlaufen lassen – werden alle Musiker im Konzerthaus festgehalten. Es muss noch einmal gespielt werden, diesmal mit Aufnahme, koste es was es wolle. Ansonsten riskiere man den Diktator zu kränken und dann drohe der Tod. Überhaupt sind Denunziationen und Intrigen an der Tagesordnung. Die berüchtigten Säuberungen. Aber natürlich denunziert man nicht zum Wohle des Staates. Man nutzt das Klima des Schreckens, das Angst evozierende politische System, um Macht zu erlangen, um aufzusteigen, und um damit Gegner aus dem Weg zu räumen. Beria mischt dabei ganz vorne mit. Er lullt den designierten Stalin-Nachfolger Malenkow (der sich nur zwei Jahre wird halten können) ein, ein schwacher Geist, und zieht ihn auf seine Seite. Molotov gibt er seine ins Gulag deportierte Frau zurück, die dieser für tot hielt (und trotzdem Stalin treu ergeben war). Nur als er die Armee (in Person von Marschall Schukow, des Siegers von Stalingrad und Berlin) auf seine Seite ziehen will, scheitert er.

Den Vogel schießt Stalins Sohn Wassilij ab. Der ist Jagdflieger, General und führt ein unbehelligt zügelloses und ausschweifendes Leben. Als er auf der Datscha eintrifft, platzt er volltrunken mitten in die Obduktion Stalins (die in der Garage stattfindet, weil dort gerade Platz ist und man die Sauerei besser wegmachen kann) und ballert mit seiner Pistole ziellos auf die Ärzte, die vermeintlichen Mörder seines Vaters… Später in Teil 2 spielt er eine größere Rolle und wird, als er seine Verschwörungstheorien der Presse mitteilen will, systematisch kalt gestellt. Meist mit Alkohol. Und Stalins Tochter Swetlana? Die ist zuerst dankbar, dass sie alleine und in Ruhe bei ihrem aufgebahrten Vater Abschied nehmen kann, ehe sie empört erkennen muss, dass sie nur Statistin in der Generalprobe der Trauerfeier ist. Kommt der erste Teil durch zahlreiche skurrile Episoden satirisch massiv überhöht daher (manchmal bleibt einem auch das Schmunzeln im Halse stecken, wenn man die Lächerlichkeit im Ernst erkennt – und umgekehrt), wird es in Teil 2 auch dramatisch. Die zahlreichen Toten bei der Beisetzung (sie wurden nicht erschossen, sondern starben bei Paniken) werden thematisiert, wie das Schicksal Wassilijs und dann natürlich der Machtkampf zwischen Beria und seinen „Kollegen“.

Eine furiose Polit-Groteske, satirisch, überdreht und doch real. Weitestgehend. Dort wo Lücken sind, zieht Autor Fabien Nury (u.a. „Silas Corey“, „W.E.S.T“, „Tyler Cross“) eigene Schlüsse, die sich bestens einfügen und auch nicht gleich erkennbar sind. Zeichner Thierry Robin, von dem schon Jahre nichts mehr auf Deutsch erschien, punktet mit einem markanten Strich und großzügigen Schwarzflächen, was an den Stil des Expressionismus erinnern lässt. Der Bonusteil umfasst ein Nachwort eines Historikers, Ausschnitte aus einer zugunsten dieses Bandes abgebrochenen Stalin-Biographie von Thierry Robin, sowie etliche Skizzen und Skript-Auszüge. Und: die Geschichte ist bereits verfilmt. Der Schotte Armando Iannucci, der bereits durch diverse TV-Serien („The Thick of it“, „Veep“) Polit-Satire erfahren ist, führte Regie und schrieb auch das Drehbuch. Die französisch-britische Co-Produktion startet am 29. März im Kino und ist durchaus prominent besetzt, u.a. mit Steve Buscemi, Jason Isaacs und Michael Palin. Inwiefern man den satirisch-grotesken Geist der Comic-Vorlage einzufangen vermochte oder ob Klamauk Trumpf ist, lässt sich auch angesichts des Trailers noch nicht endgültig sagen. (bw)

The Death of Stalin
Text: Fabien Nury
Bilder: Thierry Robin
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-96219-171-9

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