Die Wege von Malefosse, Band 2 (All Verlag)

März 1, 2018

Krieg ist kostspielig. Heute wie vor 500 Jahren. Vor allem, wenn man droht, in dem Konflikt den Kürzeren zu ziehen und schnellstens neue Truppen mobilisieren (und damit auch bezahlen) muss. Da nimmt es kein Wunder, dass König Heinrich von Navarra im September 1589 die beiden deutschen Söldner Gunther und Pritz nach Paris schickt, um dort einen Diamanten ausfindig zu machen, mit dem man den Fortlauf des Konfliktes sichern kann. Denn wir befinden uns mitten in den Hugenottenkriegen, bei denen sich Protestanten/Hugenotten/Calvinisten (unter Heinrich, der später zum Katholizismus übertreten sollte) und Katholiken (die in Form der katholischen Liga auch in Paris herrschen) in erbitterter Feindschaft gegenüberstehen. Acht dieser Kriege wird es zwischen 1562 und 1598 geben, in die auch die berühmt berüchtigte Bartholomäusnacht fällt. Doch zurück zu unseren deutschen Söldnern. Die „graben“ sich mit Hilfe des gewitzten wie gefährlichen Jünglings „Rußgesicht“ durch ein Netz an Intrigen, in der der korrupte wie gewissenlose Mönch Louvel, sowie die mysteriöse Unterweltgröße „Erzengel“ eine wichtige Rolle spielen, ehe sie des Diamants habhaft werden können („Rußgesicht“, Band 4).

Szenenwechsel („Das weiße Gold“, Band 5 der Reihe): November 1589. Der Winter ist da. Die Söldner Gunther und Pritz werden nach wie vor von „Rußgesicht“ begleitet und suchen nach ihrem Paris-Abenteuer ein Auskommen. Im verschneiten Wald treffen sie auf die Gauner Jaromir und Flex, die sich mit dem zwielichtigen Grandes-Poches zusammengetan haben, um Salz zu schmuggeln. Damals ein einträgliches Geschäft. Was sie nicht ahnen: Grandes-Poches ist ein eingeschleuster Verräter, der mit den katholischen Spaniern unter einer Decke steckt. Die wollen nach dem Tod des alten Saillé an dessen verschwundene Schutzbriefe, um einerseits die Protestanten zu schwächen und andererseits die Salinen an sich zu reißen. Denn Salz bedeutet Geld. Und ausgerechnet „Rußgesicht“ erweist sich dabei als das letzte Hindernis, als dessen adelige Abstammung bekannt wird. Auf der Loire, die Jaromir, Gunther, Pitz und Grandes-Poches samt geschmuggeltem „weißen Gold“ Richtung Nantes hinabfahren, beginnt die Situation langsam aber sicher zu eskalieren…

Das Böse dräut im Wallis…

April 1590 – im Winter ruhen die Waffen, die Söldner kehren nach Hause zurück. Gunther und Pitz verschlägt es gemeinsam mit Malka, der feurigen Frau Jaromirs, in das schweizerische Wallis. Dort im Lötschental wollen sich Jaromir und Malka wieder niederlassen und ihre Tochter Anha wieder zu sich nehmen, die sie vor dem Feldzug in fremde Obhut gaben. Doch im Dorf sind Fremde nicht willkommen. Dafür sorgen einmal maskierte Straßenräuber, die sich Tschäggättä (so auch der Titel des Bandes), die Herren des Tals nennen (Tschäggättä sind traditionelle Fastnachtsfiguren im Lötschental) und zum anderen die alte Hexe Cauquemarde, die gemeinsam mit ihrem infantilen Sohn Anton Zwietracht sät und die die kleine Anha für sich vereinnahmen will. Auch hier eskaliert der schwelende Konflikt und es gibt bald die ersten Toten. Doch die Neuankömmlinge, allen voran die resolute Malka, unterstützt von Gunther und Pitz, geben nicht auf…

So, und wer oder was ist jetzt Malefosse? Keine Person, wie der Titel der deutschen Erstpublikation vermuten lässt („Malefosse der Söldner“, sechs Ausgaben im Feest Verlag zwischen 1987 und 1993) und auch keine Gegend, wie man beim neuen Namen annehmen möchte (im Original heißt die Reihe „Les Chemins de Malefosse“). Vielmehr ist der Name Malefosse Dantes Inferno, bzw. dessen Göttlicher Komödie entlehnt, wo Mal(e)bolge die Bezeichnung des achten Höllenkreises ist, der aus zehn Gräben (Bolge/Fosse) der Übeltäter besteht (Stichwort Malebolgia – Spawn-Leser wissen eben mehr!). In „Rußgesicht“, der ersten Geschichte dieses Bandes, wird darauf auch direkt Bezug genommen.

Die Serie entstand ab 1983, als franko-belgische Historien-Comics en vogue waren (später erschien mit „Vécu“ bei Glénat ein Comic-Magazin, das sich ausschließlich dieser Sparte widmete). Und tatsächlich kann sich Malefosse mit den großen Serien aus dieser Zeit messen, wie Juillards/Cothias‘ „Die 7 Leben des Falken“, Hermanns „Die Türme von Bos-Maury“ oder „Reisende im Wind“ und „Die Gefährten der Dämmerung“ von François Bourgeon. Dabei verstehen sich Bardet und Dermaut nicht nur auf historische Akkuratesse, sondern meistern auch die unterschiedlichsten Schauplätze. Sei es ein fast noch mittelalterliches Paris, mit all seiner Pracht und all seinem Dreck und Elend, in dem rund um den Diamanten Intrigen gesponnen werden. Oder die winterliche Flussfahrt auf der Loire, ausgehend von trüben Salzsümpfen, vorbei an markanten Städten und Dörfern. Bis zum archaisch anmutenden, eingeschneiten Bergdorf im Wallis, voller Tristesse (über den Betten hängen aufmunternde Sprüche wie „Ich gehe ins Bett und vielleicht in den Tod“), in dem ein Haus dem anderen gleicht und in dem sich heimlich, still und leise das Böse breit gemacht hat.

Die bereits vergriffene Vorzugsausgabe

Die ersten beiden Alben spielen vor dem geschichtlichen Hintergrund der Religionskriege. Habgier wird mit dem Hass auf die Protestanten gerechtfertigt, die zwar von England unterstützt werden, aber doch mehr mit dem Rücken zur Wand stehen. Auf der anderen Seite die Katholiken, mit denen das erzkatholische Spanien verbunden ist (Stichwort „Spanische Inquisition“). Dabei mausert sich „Rußgesicht“ vom verbrecherischen Unsympath zu einer Schlüsselfigur, als dessen Geschichte im Rahmen der Episode um die Salzschmuggler zu Ende erzählt wird. Auch der dritte Band, der für sich steht, beinhaltet einen Konflikt mit religiösem Hintergrund, wenn auch auf kleinerer Ebene: der Pfarrer des Bergdorfes kämpft einen verzweifelten (Glaubens-) Kampf gegen die Hexe und Giftmischerin Cauquemarde (vgl. couchemar = Alptraum), die mit ihren Machenschaften scheinbar die Oberhand behält, was einen mystischen Touch in die Story bringt und gemeinsam mit optischen Accessoires wie den Fastnachtsmasken für eine immerwährende bedrohliche und verdorbene Atmosphäre sorgt.

Ist die Handlung nicht ohnehin schon extrem dicht und anspruchsvoll – geschichtliche Hintergründe; viele Charaktere, nicht immer spielen Gunther und Pritz die Hauptrolle – wird dieses Merkmal durch die Sprache noch verstärkt. Die ist jetzt nicht so gestelzt wie beim Marvels mächtigem Thor, aber altertümlich, teils sperrig und teils derb und direkt, was eine gewisse Aufmerksamkeit beim Leser erfordert, der sich dieser nur zu gerne hingibt. Die Zeichnungen erinnern mehr an Bourgeon als an Juillard und bestechen mit detailvollen, realistischen Stadt- und Landschaftsbildern. Freunde der o.g. Reihen kommen damit voll auf ihre Kosten. Mit diesem Band sind alle bisher bei Feest auf Deutsch erschienene Alben veröffentlicht. Ab Band 3 der Gesamtausgabe betreten wir also Serien-Neuland. Autor Daniel Bardet („Der Boche“) schreibt die Reihe übrigens bis heute, Zeichner François Dermaut verließ sie nach Band 12 (als Sekundär-Bonus gibt es ein Interview mit ihm). Für ihn übernahm Brice Goepfert, der mit „Des Königs Narr“ ebenfalls Historien-erprobt ist. Aber Dermaut ging nicht ganz: mit einer neuen, schlicht „Malefosse“ getauften Reihe, schildert(e) er die Vorgeschichte von Gunther und Pritz. (bw)

Die Wege von Malefosse Gesamtausgabe, Buch 2
Text: Daniel Bardet
Bilder: François Dermaut
152 Seiten in Farbe, Hardcover
All Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-946522-06-5

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