Mitteleuropa, irgendwann vor unserer Zeit. Lange, ganz lange vor unserer Zeit. Der Stamm der Ghmour versucht im rauen Alltag dieser urzeitlichen Welt zu überleben. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn man hat einen schlauen, listigen und mutigen Krieger in seinen Reihen: Tunga. Gemeinsam mit seinem Freund, dem schmächtigen Nooun, dessen zahmem Säbelzahntiger Aramh und später mit Ohama, einer weibliche Begleitung, trotzt der Steinzeitheld in diversen Abenteuern etlichen Gefahren, den üblen Launen der Natur (Vulkanausbrüche!), verfolgt von feindlichen Stämmen (Rothäute (!), Fluss- , Meer-, Feuermenschen usw.) und zeitgenössischen Tieren, wie Mammuts und natürlich auch übrig gebliebenen Dinosauriern, die der Evolution entgehen konnten.
Vorhang auf für einen weiteren alten Zack-Recken. Nach der zweibändigen Gesamtausgabe von „Tony Stark“ wagt sich Kult Comics nun an die Komplett-Edition der Abenteuer des Steinzeit-Helden „Tunga“. Beide Reihen stammen aus der Feder des Belgiers Édouard Aidans (Jahrgang 1930), den viele als „Nachfolger“ von Hermann bei „Andy Morgan“ kennen. „Tunga“ war 1961 dessen erste eigene Serie, erfreute sich bei uns – auch wenn sie nicht in der ersten Liga der Zack-Helden spielte – in den Siebziger Jahren einer konstanten Beliebtheit und war folglich regelmäßig im Zack Magazin und in der Zack Parade vertreten. Ein eigenes Album erschien dabei aber nie. Das holte erst der Feest Verlag nach, der zwischen 1987 und 1989 immerhin drei Bände der Reihe veröffentlichte. Dann war – abgesehen von einem Auftritt im neuen Zack – wieder Schluss. Bis heute. Die nun gestartete Gesamtausgabe wird fünf Bände umfassen und orientiert sich in Aufmachung und Präsentation an den anderen Integral-Titeln des Verlages, wie „Detektei Hardy“ oder „Der II. Weltkrieg“. Band zwei wird dieser Tage bereits erhältlich sein.
Aidans begann seine Karriere als junger Zeichner im Magazin Spirou, ehe er 1956 nach nur einem Jahr zur Konkurrenz, zu Tintin, wechselte. Dort war er zuerst eine Art „Mädchen für alles“, zeichnete realistisch, wie auch Funny-Stil Kurzgeschichten und besorgte zahlreiche Illustrationen für das Magazin. Bis er 1961, inspiriert durch den Roman „Am Anfang war das Feuer“ (1981 verfilmt von Jean-Jacques Annaud) seinen Tunga aus der Taufe hob. Damit beackerte er kaum erforschtes Comic-Terrain, denn halbwegs realistische Steinzeit-Serien sind bis heute rar gesät (man kennt noch den ollen „Rahan“ aus dem Bastei Verlag, „Neandertal“ bei Splitter oder jüngst „Mezolith“ bei Cross Cult). Die chronologische Veröffentlichung beginnt mit der ersten Story von 1961, die auf Deutsch „Kampf ums Überleben“ getauft wurde und im Original „La horde maudite“ (Die verfluchte Horde) heißt. Hier lernen wir Tunga kennen, der einen eigenen Kopf hat und unkonventionell handelt, sich aber erst gegen seinen Bruder durchsetzen muss. Sein Sidekick wird Nooun, der zwar körperlich schwach ist und deshalb als Kind ausgestoßen wurde, der diesen Nachteil aber mit seinem tierischen Kumpel, dem zahmen Säbelzahntiger Aramh, wieder mehr als wett macht.
Die Geschichten, die meist 22 oder 30 Seiten umfassen (davon eine als deutsche Erstveröffentlichung und die letzte Story, „Der schwarze Hengst“, die seinerzeit in drei Teilen in der Zack Parade erschien, ist dann doch albumlang) sind gradlinig erzählt, auf angenehme Art altmodisch, mit viel Text versehen und ähneln sich im Muster, jedoch ohne sich zu wiederholen und damit zu langweilen. Und zeigen dabei auch eine gewissen Kontinuität. Tunga verlässt gemeinsam mit Nooun und Aramh seinen Stamm, um andere Menschen zu finden. Später trifft er auf Ohama, die sich dann der Gruppe anschließt, und deren sturen Bruder Xam. Dabei kann Aidans, der teilweise von Autor Jacques Acar („Ringo“) unterstützt wird, ganz seinen Natur- und Tierdarstellungen frönen, die man auch aus „Tony Stark“ kennt. Die dynamisch inszenierten Kämpfe mit dem Säbelzahntiger Aramh sind dann auch immer wieder ein optisches Highlight. Der einleitende Sekundärteil, wie immer mit etlichen zeitgenössischen Abbildungen aus dem Tintin-Magazin und Illustrationen versehen und (fast) wie immer von Volker Hamann verfasst, ist etwas kurz geraten, wird aber in Band 2 fortgesetzt. Für alle altgedienten Zack-Leser, aber auch für alle Freunde klassischer franko-belgischer Serien ist diese Neu-Edition nur zu empfehlen. (bw)
Tunga Integral, Band 1
Text: Édouard Aidans, Jacques Acar
Bilder: Édouard Aidans
208 Seiten in Farbe, Hardcover
Kult Comics
29,95 Euro
ISBN: 978-3-946722-35-9