Der II. Weltkrieg in Bildern, Band 2 (Kult Comics)

Juli 4, 2017

Frühling 1941: der Gröfaz kann es kaum erwarten, dass sich das Wetter bessert. Berauscht von seinen Siegen im Herzen Europas, will er nun auch die vermeintlichen Erzfeinde im Osten in einem Blitzkrieg binnen acht Wochen vernichtend schlagen. Erklärtes Ziel: Lebensraum, wertvolle Nahrungsmittel und natürlich nicht zuletzt Rohstoffe. Aber die Zeit spielt gegen den Aggressor: die Engländer machen ihm den Balkan streitig, so dass das „Unternehmen Barbarossa“ mit gehöriger Verspätung beginnt. Am 22. Juni 1941 fallen deutsche Verbände über die russischen Stellungen her, darunter auch der Panzerleutnant Helmut, der mit 1,5 Millionen anderer Soldaten gegen Moskau rollen soll und dabei auf den russischen Kommandanten Cyril treffen wird. Unter der Führung von Generälen wie Guderian und Kleist gelingt es der Wehrmacht tatsächlich, bis vor die Tore der russischen Zarenstadt vorzustoßen, Leningrad einzukesseln und Stalin an den Rand einer Niederlage zu drängen. Schon verkündet man in Berlin lauthals den Sieg, als sich das Blatt wendet – in Form des unerwartet zähen Widerstandes, aber vor allem in Gestalt des grausamen Winters, der mit klirrender Kälte über die vollkommen unzureichend ausgerüsteten deutschen Landser hereinbricht…

April 1942: die deutschen Truppen haben unter unmenschlichen Bedingungen in der so genannten Winterlinie überdauert. Zunehmend erratisch, ändert die Oberste Heeresleitung wiederholt die Stoßrichtung. Anstelle Moskau einnehmen zu wollen, richtet sich das Augenmerk nun auf eine strategisch vermeintlich wichtige Stadt an der Wolga, mit der Hitler hofft, den Russen den Nachschub abschneiden zu können. Die zweite Offensive beginnt am 28. Juni 1942 unter dem Namen „Fall Blau“ – ausgerufenes Eroberungsziel: Stalingrad. Die Generäle Paulus und Hoth erreichen die Metropole relativ schnell, treffen aber erneut auf erbitterten Widerstand auch der Zivilbevölkerung und landen schließlich in einem grausamen Kessel, der der 6. Armee zum Verhängnis wird und eines der dunkelsten Kapitel des Krieges schreibt, in dem sich auch Helmut, mittlerweile Hauptmann, wiederfindet…

Stukas am Himmel über Polen

Tausende Kilometer von den Eissteppen Russlands entfernt, tobt in Nordafrika ein taktischer Stellungskrieg. Mussolini greift über Libyen das benachbarte Ägypten an, das von den Engländern vehement verteidigt wird. Denn Churchill ist klar: wer das Mittelmeer und den Orient beherrscht, dem gehört der Nachschub und die alternative Route in Richtung Russland. Erbittert kämpft man um die Insel Malta und den Hafen Tobruk. Im Februar 1941 kommandiert Hitler General Rommel nach Afrika ab, der als Kommandant der 7. Panzerdivision, der unfassbar schnell vorrückenden „Geisterdivision“, schon bei Dünkirchen von sich reden machte. Rommel treibt die Briten mit erheblichem Materialeinsatz scheinbar spielend vor sich her und gilt mit seinem D.A.K., dem Deutschen Afrika-Korps, bald als unschlagbarer „Wüstenfuchs“. Aber zur Neige gehende Benzinvorräte, zunehmende Erschöpfung und die gnadenlose Hitze fordern ihren Tribut: die britischen Kommandeure Auchinleck und Montgomery gewinnen in dem grausamen Schachspiel die Oberhand und zwingen Rommels Truppen am 2. Juni 1942 zur entscheidenden Schlacht bei El Alamein, die bis November andauern wird…

Bis 1941 gelingt es den Amerikanern noch, sich aus dem Krieg weitgehend herauszuhalten. Man sympathisiert zwar mit den bedrohten Völkern Europas und schickt Geld und Material, sonnt sich aber ansonsten im sicheren Abstand des Atlantiks. Am 7. Dezember 1941 um 7 Uhr 50 morgens ändert sich die Lage schlagartig: die Japaner, Teil der Achsenmächte, bombardieren in einer nicht für möglich gehaltenen Aktion die amerikanische Pazifikflotte, die in Pearl Harbor ankert. Diese Attacke markiert einen Wendepunkt im gesamten Kriegsverlauf, da die USA am diesem Zeitpunkt auch aktiv ins Geschehen eingreifen, letztendlich zum Fall des Dritten Reiches entscheidend beitragen – und das Schicksal der Städte Hiroshima und Nagasaki besiegeln…

Das monumentale Werk, in dem Pierre Dupuis 1974 den Versuch unternimmt, die Geschichte eines der größten Konflikte der Menschheitsgeschichte nachzuerzählen, bringt auch in diesen vier Episoden („Moskau – Operation Barbarossa“, „Von Stalingrad nach Berlin“, „Afrika Korps – Der Wüstenfuchs“ und „Banzai! – Der Krieg im Pazifik“) eine eigentümliche Mischung aus Haupt- und Staatsaktion und privaten Schicksalen. Diese aus dem klassischen historischen Roman bewährte Methode, die Weltgeschichte erfahrbar zu machen, tritt allerdings im Vergleich zu den ersten Folgen noch stärker in den Hintergrund. Immer wieder treffen wir durchgängig auf einzelne Figuren, allen voran den jungen Helmut, den wir schon aus Band 1 kennen und der hier am Angriff auf Russland teilnimmt, verwundet wird und schließlich sogar den Fall Berlins miterlebt. Sein Gegenpart ist der Russe Cyril, mit dem ihn eine eigentümliche Situation verbindet: in der russischen Steppe stehen sie sich im Panzerkampf gegenüber, schließlich Mann gegen Mann, als Cyril in schallendes Gelächter ausbricht: die Absurdität der Situation rettet beiden das Leben.

Die limitierte Vorzugsausgabe mit Variant-Cover

Diese Konstellation wiederholt sich in Berlin, als Helmut schon auf den Todesschuss wartet und Cyril ihm zuruft: „Hau ab, Du Idiot! Hau ab! Der Krieg ist zu Ende…“ Auch in Gestalt des englischen Fliegers Stuart Nelson tritt ein alter Bekannter auf, der nach der „Luftschlacht um England“ in Band 1 nun in den Wüsten Nordafrikas ums Überleben kämpft. Dupuis müht sich offenkundig nach Kräften, nicht nur die „offizielle“ Geschichte zu erzählen, was er im Vorwort des Werks ja selbst betonte – und was ihm allerdings weniger und weniger gelingt. Seine Gestaltung wirkt vielmehr zunehmend wie ein illustriertes Historienwerk, mit wenig Dialogen, dafür umso mehr ausladenden kommentierenden Texten, die die Beweggründe, taktischen Überlegungen und statistischen Größen in den Mittelpunkt stellen (wobei in dieser deutschen Fassung wenigstens die ausführlichen Historiker-Kommentare, die die damaligen Herausgeber der Condor-Ausgabe Heiner Wolke und W.K. Wilkens in die ersten Bände einfügten, fehlen). Dabei blitzt immer wieder eine erhebliche Technik-Begeisterung durch, in der Dupuis die Flugzeuge, Panzer und Waffen beider Seiten ausführlich würdigt und teilweise als kleine Wunderwerke herausstreicht – ebenso wie die deutschen Generäle gerne als „Elite ihrer Zeit“ erscheinen, allen voran Rommel, „der genialste Stratege des 20. Jahrhunderts, der einer schlechten Sache gedient hatte“.

Dies mag aus heutiger Sicht teilweise beklemmend wirken, ebenso wie die Tatsache, dass die Vernichtung der Juden im Warschauer Ghetto und in den Konzentrationslagern auf einer Seite in wenigen Bildern einen in keiner Weise ausreichenden Raum einnimmt (wobei die ikonische Fotografie des Kindes mit erhobenen Händen fast versatzstückhaft-deplatziert wirkt). Dennoch schießt die harsche Kritik, die Ole Frahm in seiner Einleitung übt, über das Ziel hinaus: Dupuis stellt ohne jeden Zweifel wiederholt die Barbarei des Krieges fest, der als Angriff von deutschem Boden ausging, und bemüht sich gleichzeitig um eine ausgewogene Darstellung der Auswirkungen für alle Betroffenen. Dass er mit seinen kurzen Einlassungen zur „Schuldfrage“, zur Rolle des „einfachen“ Volkes und vor allem der geschichtlichen Verantwortung nicht ganz die Tiefe des intellektuellen Feuilletons oder späterer deutscher Graphic Novels erreicht, das sei ihm an dieser Stelle nachgesehen. Was bleibt, ist ein in jedem Falle beeindruckendes Panorama eines Weltbrandes, das auch heute noch erschüttert, mitnimmt und als Mahnmal der Toten steht. Mit dem noch ausstehenden Integral 3, „Operation Overlord“, liegt dieser große Wurf ab September 2017 dann endgültig vollständig mit allen 11 Originalalben vor. Für Sammler gibt es auch dieses Mal wieder eine auf 99 Exemplare limitierte Sonderausgabe. (hb)

Der II. Weltkrieg in Bildern, Integral 2: Moskau
Text & Bilder: Pierre Dupuis
200 Seiten in Farbe, Hardcover
Kult Comics
29,95 Euro

ISBN: 978-3-946722-02-1

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