Zweiter Teil der Gesamtausgabe von „Hopfen und Malz“ (im Original „Les maîtres de l’orge“ – die „Meister der Gerste“). Wie der Auftaktband mit zwei Alben der 7-teiligen Reihe. Im finalen Band werden dann die letzten drei zum Abdruck kommen. Das achte Album der Serie („Die Steenforts“) enthielt seinerzeit Kurzgeschichten, die als Schlaglichter diverse Aspekte der Hauptstory vertieften und behandelten. Diese Kurzgeschichten werden nun in die Gesamtausgabe chronologisch integriert, so dass das Album als Ganzes komplett entfällt.
Der Band beginnt mit „Adrien, 1917“. Die Story konzentriert sich zum einen auf Margrit Steenfort, eine Frau mit selbstbewusstem Auftreten und Vergangenheit, die während des Ersten Weltkriegs die beiden Familienbrauereien im belgischen Dorp führt. Margrit ist Deutsche und muss zwischen den Fronten balancieren, um den Betrieb der Brauereien im besetzten Belgien aufrecht erhalten zu können. Denn die Deutschen konfiszieren kriegswichtiges Material, so auch die Kupferkessel der Brauereien. So lässt sich die mondäne Dame auf ein gefährliches Spiel mit der deutschen Intendantur ein, was anfangs gelingt, dann aber zu einem Alptraum für Margrit wird. Derweil kämpft ihr Sohn Adrien an der Front. Als man ihm eine Spionage-Mission bei den Deutschen übertragen will, verweigert er, wird schließlich aber dennoch zum gefeierten Kriegshelden und erfährt dabei ein Geheimnis aus der dunklen Vergangenheit seiner Mutter.
„Noel, 1932“: Jahre sind vergangen. Im Zuge der Wirtschaftskrise geht es vielen belgischen Brauereien schlecht. Adrien Steenfort, der seinen Betrieb inzwischen mit strenger Hand leitet, ergreift die Gunst der Stunde und kauft diverse Brauereien auf. Verleitet von seinem zwielichtigen Direktor Garcin lässt er sich in die Politik drängen und kandidiert für die faschistische PAN Partei für das Bürgermeisteramt seines Heimatdorfes Dorp – zum allgemeinen Entsetzen seiner Familie und seiner Arbeiter. Nach einem Zerwürfnis mit seiner Mutter, die daraufhin zu ihrem Mann Noel zurückkehrt, von dem sie über 40 Jahre getrennt lebte, erkennt Adrien, dass er nur als politischer Spielball dienen sollte. Doch da ist es bereits zu spät, eine Katastrophe bahnt sich an…
Autor Jean van Hamme wurde mit „Thorgal“, „Largo Winch“ und „XIII“ berühmt. Mit „Hopfen und Malz“ präsentierte er in den 90er Jahren eine Familien-Saga, die die (natürlich fiktive) Geschichte der Bierbrauer-Dynastie der Steenforts im belgischen Brabant zwischen 1854 und 1997, also bis in die heutige Zeit, schildert. Das geschieht nicht durchgehend, sondern episodenhaft – zwischen den Alben, die sich dann wie Fenster öffnen und Einblicke in die Familiengeschichte bieten, gibt es Zeitsprünge von etwa 15-30 Jahren. Dieser mittlere Band der dreibändigen Gesamtausgabe beschreibt die Jahre 1917 – also während des Ersten Weltkriegs – und 1932, als sich die Pest des Faschismus‘ schon langsam aber sicher in Europa verbreitet. Margrit, die deutschstämmige, starke Frau der Serie, steht im Mittelpunkt der 1917-Episode, erträgt Erniedrigungen, um den Fortbestand des Betriebes zu sichern. Ihr Opfer ist immens. Und Adrien lässt sich willfährig Jahre später von den Faschisten einspannen, ohne dass ihm bewusst wird, was er da tut, im Gegenzug für einen vermeintlich verheißungsvollen politischen Aufstieg.
Dabei brilliert van Hamme nicht nur zeitgeschichtlich – gesellschaftlich und politisch. Gleichzeitig spinnt er Intrigen, Geheimnisse und Zerwürfnisse, die die Familienmitglieder untereinander führen, verbergen und ausfechten, was die Reihe einerseits weit über eine nüchterne Familienchronik heraushebt, andererseits aber sind diese Motive so angelegt, dass man nie in die Niederungen einer gemeinen Seifenoper abdriftet. Und van Hamme ist dabei konsequent. Über Alben und Generationen hinweg beeinflussen die Geschehnisse und Taten der Steenforts ihre eigene Geschichte, geraten nie in Vergessenheit und wirken sich über Generationen hinweg aus. So bleibt die Lesefaszination stets erhalten, der Leser fühlt sich bei jeder Episode schnell wieder heimisch, obwohl die handelnden Personen Jahrzehnte älter sind. Andere werden komplett aus der Geschichte genommen, weil sie „zwischen den Alben“ verstorben sind. Wieder andere werden neu eingeführt oder sind nun erwachsen und erhalten tragende Rollen. Jedem Kapitel steht eine Zusammenfassung der politischen und wirtschaftlichen Lage voran, inkl. statistischer Angaben über die Bierproduktion Belgiens zu der Zeit.
Zeichner Francis Vallès („Tosca“, dt. bei Epsilon) setzt die Familienchronik und die jeweilige Zeit sachlich und historisch akribisch in Szene. Seine Bilder sind nüchtern, die Darstellung, die Mimik der zahlreichen Charaktere stets perfekt. Wenn es die Geschichte erfordert, auch gerne actionreich und dramatisch. Die drei Sammelbände der Gesamtausgabe (der Abschluss erscheint im März 2017) sind auf jeweils 1000 Stück in einer einmaligen Auflage limitiert. Wie auch seine Bestseller („Largo Winch“ in zwei Kinofilmen, „XIII“ als TV-Serie – nicht als Bourne Reihe – und „Thorgal“ ebenfalls als geplante Serie) wurde auch „Hopfen und Malz“ adaptiert. Als Mehrteiler für das französische Fernsehen, leicht verändert und nicht bei uns erhältlich (Serienbier inklusive), worauf der kleine Sekundärpart am Ende Bezug nimmt. „Hopfen und Malz“, die Familienchronik der Steenforts, ist eine der besten Serien des Autors – leider nicht so bekannt – und wer diese nicht kennt, kann jetzt die Gelegenheit beim Schopfe packen und das Versäumnis nachholen. (bw)
Hopfen und Malz Gesamtausgabe, Band 2
Text: Jean van Hamme
Bilder: Francis Vallès
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Sackmann und Hörndl
34 Euro
ISBN: 978-3-89474-291-1