Superdupont, Band 1 (Splitter)

November 11, 2016

Superdupont, Band 1 (Splitter)

Ist’s ein Camembert? Ein Baguette? Nein, es ist Superdupont, der da am Himmel seine Kreise zieht und wartet. Und zwar auf nichts anderes als die Ankunft eines neuen Erdenbürgers, der auch alsbald mit voller Wucht aus seiner Mutter hervorschießt und dabei eine Krankenhauswand zerdeppert. Mit stolzgeschwellter Brust nimmt unser Held seinen Sohn in Empfang, der natürlich ebenso übermenschliche Kräfte sein eigen nennt wie der Herr Papa. Nachdem die liebe Mutter mit der Saugkraft des Kleinen etwas überfordert ist, nimmt der Vater den Sprössling zu sich, setzt ihn direkt ans Kuheuter und bildet ihn aus – im Fliegen (bei dem die Windel braune Hinterlassenschaften nach sich zieht und kunstvolle Figuren damit schreibt) und im Retten von bedrohten Zivilisten, das in klassischer Superdupont-Manier bisweilen durchaus in Kollateralschäden endet, während der stolze Papa im Supertempo Windeln wechselt und den Popo pudert. Alles also feinste Harmonie, aber dann tritt der Papst der Finsternis auf – ein ordentlicher Lumpensohn mitsamt seiner Bande wüster Gesellen, die sich per Kidnapping den Supersprössling unter den Nagel reißen, um sein Blut mit dem abgrundtief Bösen zu vermischen und damit die ultimative Nemesis für Superdupont zu schaffen…

Die kuriose Figur des französischen Superman erblickte schon 1972 das Licht der Welt, als Jacques Lob und Marcel Gotlib ihre gemeinsamen Ideen für eine Heldenparodie zusammenwarfen und im Magazin Pilote die ersten Stories kredenzten. Szenarist Lob verband in der Figur des frankophonen Übermenschen eine freche Parodie auf Metawesen à la Superman, Shazam, Captain Marvel und Konsorten mit einer wunderbaren Persiflage auf französischen Eigenheiten und Stereotypen. Das beginnt schon mit der Gestalt unseres Helden (Mittvierziger, Bauchansatz, schütteres Haar, das säuberlich umgekämmt ist), setzt sich in der Kleidung fort, die den klassischen Superman-Dress aufs Korn nimmt („zu 100% französisch, mit einem Ganzkörperanzug, langer Hose, Filzpantoffeln an den Füßen und einer Baskenmütze auf dem Kopf (…) mit einem hübsch verzierten ‚SD‘ auf blau-weiß-roter Kokarde auf der Brust“, so Gotlibs eigene Beschreibung) und endet in einer Verballhornung von Supermans aufrechtem Kampf für truth, justice and the American way: Superdupont riecht förmlich alles Fremde, sein etatmäßiger Feind sind Ausländer und die Anti-France-Terrorgruppe (hail Hydra! möchte man da fast rufen), die er mit seinen Superkräften oder auch der Marseillaise in die Knie zwingt.

Als liebevolle Persiflage auf französischen Nationalstolz angelegt, durchlebte Superdupont nach seinem Start in Pilote ab 1975 in der Zeitschrift Fluide Glacial, daneben auch als Comicalben verschiedene Inkarnationen, die durch jeweils wechselnde Zeichner die unterschiedlichsten stilistischen Ausprägungen erfuhren. Der Tod von Jacques Lob – und auch die Tatsache, dass nationalistischen Kräfte in Form des Front National eines Le Pen die Figur für sich instrumentalisierten, ein Schicksal, das den Stählernen ja ebenfalls ereilt hatte – führte in den 1990ern dazu, dass Gotlib die Arbeit an seinem Antihelden ruhen ließ. Gemeinsam mit den Szenaristen Francois Boucq (u.a. Bouncer, Teufelsmaul, Little Tulip)und dessen Kompagnon Karim Belkrouf (ohne den Boucq „niemals reist“, wie Gotlib das beschreibt), brachte Gotlib seine Kreation vor zwei Jahren dann doch wieder an den Start, mit einer Storyline, die mit dem Nachwuchs-Thema wunderbar an die Helden-Parodien der alten Ausgaben anknüpft – in den dank des Comic-Code notgedrungen harmlosen 60er Jahren durfte Superman in infantiler Form als Superbaby so manches Abenteuer durchleben, und in ernsterer Ausprägung musste sich auch Miracleman mit der Geburt seines Sohnes auseinandersetzen.

Die Mutter von Superduponts Sohnemann wird zwar eingeführt, steht aber nicht in Zusammenhang mit seiner langjährigen unglücklichen Liebe Georgette Doublanski, die es ihm in vorigen Ausgaben angetan hatte. Somit ist ein kompletter Neustart, also eine Renaissance im engeren Wortsinne, gewährleistet, die eine diebische Freude für alle bereithält, die die Superheldenkonventionen amüsiert dekonstruiert sehen wollen – und die auch nichts dagegen haben, wenn die vor allem der eigenen Meinung nach größte Nation der Welt einmal ordentlich durch den Kakao oder besser Rotwein gezogen wird. Mon Dieu! (hb)

Superdupont Renaissance, Band 1
Text: Marcel Gotlib
Bilder: François Boucq, Karim Belkrouf
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-379-0

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