Barbara „Babs“ Gordon braucht einen Tapetenwechsel. Sie hat sich nämlich ganz gewaltig mit ihrer ex-best friend for ever and ever Dinah gezofft, mit deren alter ego Black Canary sie bei den Birds Of Prey aktiv war. Frohen Mutes macht die junge Dame sich auf nach Burnside, dem angesagten Bezirk außerhalb von Gotham, der mit der Heimat des dunklen Ritters ungefähr so viel zu tun hat wie Palo Alto mit Gröbenzell. Denn Barbara findet sich wieder in einer Welt der High-Tech-Junkies, Social Media Geeks und Dating-Seiten-Betreiber – in die sie selbst dann auch zunehmend eintaucht. Kaum eingelebt, klaut man ihr bei einer rauschenden Einweihungsparty dann auch mal gleich (nebst diversen anderen Handys und weiteren lebenswichtigen Gerätschaften) ihr Laptop, auf dem ihr wissenschaftliches Projekt gespeichert war – ein hochkomplexer Algorithmus, mit dem man Verbrechen vorhersagen kann – auf dem sie Dissertation aufbauen wollte. Aber die Finsterlinge haben nicht damit gerechnet, dass ab sofort nicht nur Babs, sondern auch Batgirl inda house ist – gesegnet durch ihr photographisches Gedächtnis, rekonstruiert sie die Ereignisse der Partynacht und lokalisiert auch den dreisten Dieb – einen Fiesling, der nichts Besseres zu tun hat, als dem Szenemogul Riot Black jede Menge Daten für dessen soziales Netzwerk Black Book per Klau zuzuschustern.
Gekonnt schaltet Batgirl den Möchtegern-Despoten aus, aber die nächste Herausforderung wartet schon: irgendjemand hat sich ihre digitale Persona unter den Nagel gerissen, postet als Batgirl fröhlich Statusmeldungen und Selfies und hetzt ihr zu allem Überfluss noch zwei Motorrad-Rockerinnen auf den Hals, die sie ganz im Stil des TV-Mangas Atomina, den sie als Kind begeistert verfolgte, angreifen. Auch dieses Duell entscheidet Babs für sich, aber ihre virtuelle Identitätsdiebin gibt nach wie vor nicht auf und überflutet den Äther mit selbstverliebten Statements und Bildern. Erschwerend kommt hinzu, dass auf einmal Dinah auf der Matte steht, deren Bude komplett abgefackelt ist und die daher nolens volens Unterschlupf bei ihrer ex-Mitbewohnerin suchen muss. Auf einer massiv gehypten Ausstellung des selbsternannten Medienpropheten und Photographen Dagger Type kommt es dann ans Tageslicht: niemand anders als der umjubelte Pseudokünstler hat sich als Batgirl ausgegeben, um möglichst coole Bilder und damit viele Klicks zu erhaschen. Langsam fasst Babs auch als Heldin in Burnside Fuß, der wissenschaftliche Angestellte Quadir fabriziert ihr technische Gadgets nach Bedarf, und Babs freundet sich – natürlich via Dating-Website – mit dem Polizisten Liam an – aber als sie den Fernsehstar und Teenie-Schwarm Jordan Barberi hochnimmt, der gerne mal besoffen illegale Autorennen veranstaltet, spürt sie den ganzen Druck der Netzwerke: geschlossen wendet sich die Community gegen sie, und aus dem Star wird urplötzlich ein Objekt der kollektiven Abneigung…
Die Karriere von Babs Gordon als Batgirl – die von Carmine Infantino und Gardner Fox 1967 mehr oder weniger auf Verlangen der Produzenten der ulkigen Batman-TV-Serie in die Heftserie eingeführt wurde – endete ja eigentlich an dem Abend, als der Joker bei Polizeichef Gordon klingelte und aus kurzer Distanz auf dessen Tochter schoss. Gordon sollte damit in den Wahnsinn getrieben werden, um die These des Jokers zu beweisen, dass Irrsinn die einzig normale Reaktion auf die Welt um uns ist. Das ging nur teilweise auf, wie Brian Bolland das im Klassiker „Batman: The Killing Joke“ eindrucksvoll und unvergesslich schildert – aber Babs blieb gelähmt und agierte fortan als Computergenie Orakel im Hintergrund. Im Zuge des Neustarts des DC-Universums allerdings durfte sie sich einer wundersamen Heilung erfreuen und eilt seitdem wieder in blauen und gelben Spandex über die Hausdächer. In ihrer neuen eigenen Serie verordnen ihr Cameron Stewart und Brenden Fletcher eine radikale virtuelle Frischzellenkur: mindestens genauso wichtig wie die Verbrecherhatz ist hier das Umfeld, in dem das Handy Überlebensfaktor Nummer 1 geworden ist und Likes und Klicks mehr zählen als soziale Interaktion. Babs kann sich dem Reiz der neuen Welt nur schwerlich entziehen, es hängt an Dinah, immer wieder mal einen ätzenden Kommentar über die Gesellschaft abzulassen, in der nur das existiert, was sofort hochgeladen und geteilt wird.
Dabei kommen kaum kaschiert die gängigen Platzhirsche wie Facebook (Black Book), Instagram (heißt hier Pixtagraph) und natürlich Tinder (die alles beherrschende Dating-Plattform names Hooq) ins Visier, wobei sich die Serie bisweilen nicht entscheiden kann, ob sie nun beißende Satire der neuen Welt oder einfach nur hip sein will. So wird dann auch das New Media-Thema teilweise ein wenig überstrapaziert, und ein bisschen straighte Bat-Action wäre teilweise sehr willkommen, aber nette Einsprengsel wie die Genre-Reflektion in den Anime-Mädels, den durchgängigen SMS-Texten oder auch der über Soundfiles gespiegelte „Soundtrack“ bieten immer wieder hübsche Einfälle. Und allen Ernstes: weit weg vom unverblümten Narzissmus der „ach das war ja so ein spontaner shot“-Selfie-Generation aus Burnside ist die Realität schon lange nicht mehr. Warum sonst wären Selfie-Sticks Verkaufsschlager und der aufgesetzt fröhliche Foto-Moment für Facebook das zentrale Element ansonsten stinklangweiliger Junggesellinnen-Abschiede. Der vorliegende Band versammelt die US-Ausgaben Batgirl 35-40 sowie Secret Origins 10 von 2014-2016. Band 2 erscheint im Juli. Es existiert auch ein auf 333 Exemplare limitiertes Variant (ebenfalls Softcover) mit einer Hommage an Prince‘ Purple Rain, die nun leider eine traurige Aktualität erfahren hat… (hb)
Batgirl – Die neue Abenteuer, Band 1: Willkommen in Burnside!
Text: Cameron Stewart, Brenden Fletcher
Bilder: Cameron Stewart, Babs Tarr, Irene Koh
148 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Verlag
16,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-754-9