Aller Anfang ist schwer, das erlebte selbst unser liebster Mitternachts-Detektiv, als Frank Miller 1987 – damals noch halbwegs zurechnungsfähig – die ersten Gehversuche des selbsternannten Rächers skizzierte. In Batman: Year One schlug sich ein junger Bruce Wayne mit kleinen Kriminellen, dem Mafioso Carmine Falcone, seinen eigenen Ausrüstungsgegenständen (Termit im Gürtel brennt auch gerne mal unbeabsichtigt) und vor allem der Polizei herum, die in ihm erst einmal eine Bedrohung und keine große Hilfe sahen. Mit der rühmlichen Ausnahme eines gewissen Jim Gordon, dessen Sohn er vor dem Ertrinken rettet und somit beweist, dass er vielleicht seltsam, aber dennoch einer von den Guten ist.
Nachdem man bei DC noch im gleichen Jahr unter der Federführung von Mike Barr mehr schlecht als recht versuchte, den Erfolg mit Batman: Year Two zu wiederholen, machte sich Doug Moench 1990 in seinem Run von Legends Of The Dark Knight mit dem Fünfteiler „Prey“ daran, den Faden dort aufzunehmen, an dem Miller ihn vier Jahre zuvor fallen gelassen hatte: Batman ringt nach wie vor um seine Anerkennung als Verbrechensbekämpfer, stößt aber bei Polizei und Politik, allen voran in Persona des Bürgermeisters Wilson Klass, auf Skepsis und Ablehnung. Der dubiose Psychiater Dr. Hugo Strange flüstert dem Bürgermeister, er könne den Vigilanten entlarven, worauf Klass eine Sondereinheit einsetzt, die den Maskierten zur Strecke bringen soll – unter Leitung von Jim Gordon, den dies in einige Gewissenskonflikte stürzt. Strange entpuppt sich schnell als fanatischer Psychopath, der in Batman ein finsteres Alter Ego sieht, das er unbedingt zerstören möchte – er hypnotisiert den ebenso verhetzten Cop Max Cort, der fortan als Night Scourge einen mörderischen Kreuzzug gegen die Unterwelt führt, um das öffentliche Misstrauen gegen Selbstjustiz und Kapuzenträger noch mehr zu schüren. Aber Gordon schützt den zur Jagd freigegebenen Batman mit Hilfe eines selbst gebastelten Signals, das er auf dem Dach des Polizei-Hauptquartiers platziert – worauf Strange völlig durchdreht, Cort in ein Batman-Kostüm steckt und ihn die Tochter des Bürgermeisters entführen lässt. Unterdessen ist es ihm tatsächlich dank psychologischer Analysen und Studium der Polizeiakten gelungen, die Geheimidentität des dunklen Ritters zu erkunden – was er gnadenlos zu einem perfiden Versuch nutzt, seine selbsterkorene Beute (aha!) Bruce Wayne in Schuldgefühle und Wahnsinn zu treiben…
Doug Moench, der nicht nur mit Knightfall für Kontroversen sorgte, taucht hier tief in die Mechanik von Rache, Schizophrenie und Psychosen ein: Batman laboriert am Trauma des Todes seiner Eltern, sein finsteres Zerrbild Strange gleicht seine offenkundigen Bindungsängste – also mal ehrlich, wer eine in Dessous gekleidete Schaufensterpuppe als Abendbegleitung im Zimmer hat, der hat ganz einfach einen an der Klatsche – durch Machtphantasien aus, und Gordon setzt seine Karriere aufs Spiel, weil er dem Maskierten das Leben seines Sohnes und auch seine Ehe verdankt, die in Year: One ja auf der Kippe stand. Dabei baut Moench sehr schöne Details ein – die Juwelendiebin Selina Kyle paktiert erstmals mit dem finsteren Helden, für den sie bald eine Hassliebe entwickelt, Batman stellt fest, dass es ungünstig ist, nach jedem Einsatz zu Fuß nach Wayne Manor zurückzumarschieren, und schraubt sich deswegen eine massiv gepimpte Karre zusammen, und Gordon testet heimlich aus, ob es denn funktioniert, ein Fledermauszeichen auf einen Scheinwerfer zu spannen (tut es). Strange gelingt es letztendlich nur, Bruce Wayne zu einer Art Katharsis zu verhelfen – zurückgezogen in eine noch sehr kahle Bathöhle durchlebt er eine Art dark night of the soul, wo er seine Dämonen in Form von Schuldgefühlen konfrontiert und lernt, dass er diese nur als dunkler Ritter überwinden kann. Und dass sein Kostüm nur im Dunkeln dazu angetan ist, Ganoven zu erschrecken.
Mit Hugo Strange greift Moench einen von Batmans ältesten Widersachern auf, der schon 1940 sein Debut feierte, dort allerdings noch als klischeehafter mad scientist. 1977 erlebte die Figur eine Renaissance als hinterhältiger Psychologe, der in der Storyline ‚Strange Apparitions‘ einem schwer verletzten Batman, der sich in sein Krankenhaus einliefern lässt, die Geheimidentität entreißt und diese an Joker, Pinguin oder Rupert Thorne verkaufen will – und wer so etwas plant, der kommt unter die Räder, wie wir das 1978 im Batman-Taschenbuch 2 des berüchtigten Ehapa-Verlages seinerzeit atemlos verfolgten (‚Das Grauen von Gray-Tower‘ und ‚Ich bin Batman!‘, wo Strange unter dem genial eingedeutschten Namen ‚Dr. Todhunter‘ firmierte – im gleichen Band war übrigens die brillante Joke-Story ‚The Laughing Fish‘ zu bestaunen). Der in ‚Beute‘ erneut unternommene Versuch, Batman zu enttarnen und/oder seinen Platz zu übernehmen (wobei sich Strange seltsamerweise nicht erinnern kann, dies schon einmal probiert zu haben, aber wir wollen mal nicht so sein), ist seitdem Stranges Lieblingshobby, woran er allerdings stets kläglich scheitert und dafür gerne auch mal in Arkham Asylum landet.
Paul Gulacy inszeniert diese packende Geschichte in aus heutiger Sicht eher traditioneller Darstellung, deutlich weniger stilisiert als Millers oder auch Mazzucchellis Dark Knight, sondern eher in der Tradition eines Neal Adams. Selina Kyle etabliert sich gerade als Catwoman, nicht mehr im geschlitzten Rock, aber auch nicht mit der seltsamen Taucherbrille von heute, sondern im – naja, eben Catsuit mit Schwänzchen und Peitsche (DAS ist SM, nicht 50 Shades of Grey, liebe Hausfrauen), Strange erscheint als irr lachender Glatzkopf, und Bruce Wayne sieht auch nach seinen Exerzitien in der Höhle noch deutlich schnieker aus als der stoppelbärtige Wüterich, als der er uns heute – etwa in Batman Eternal – entgegentritt. Bestes Lesefutter für alle Freunde der 70er-Batman-Runs, Anhänger von Year One und auch für Neueinsteiger ins Bat-Universum sehr geeignet, da keine großen Hintergrund-Stoylines bemüht werden.
Die Neuauflage im Rahmen der Sammelbände Legenden des dunklen Ritters enthält die US-Originalausgaben ‚Batman: Legends Of The Dark Knight #11-15‘ aus dem Jahr 1990, die auf Deutsch schon einmal unter dem Titel ‚Die Intrigen des Dr. Strange‘ Anfang der Neunziger bei Carlsen zu haben waren. Wie immer bietet Panini auch eine limitierte Hardcover-Version. Die zählt diesmal lediglich 333 Exemplare und kostet 29 Euro. (hb)
Batman – Legenden des Dunklen Ritters: Beute (3)
Text: Doug Moench
Bilder: Paul Gulacy , Terry Austin
140 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-089-2