Klassiker: Superman gegen Roter Blitz (Ehapa, 1977)

November 17, 2010

Meine Comic-Karriere begann Ende der 70er mit einem Geburtstagsgeschenk. Da bekam ich nämlich staunend ein Heft aus der Superman Batman-Reihe des Ehapa-Verlages überreicht (spätere Recherchen haben ergeben, dass es die Nummer 17 gewesen sein muss, „Besuch aus der Phantomzone“, erschienen am 27. August 1977 – passt, ein Tag vor meinem achten Geburtstag). Welche Wunder gab es da zu entdecken: den Phantom-Zonen-Projektor, Kandor die Flaschenstadt, Batman kämpfte mit dem Creeper und Lumpenmann, Zatanna, Allesesserboy, Galaxien hießen Galaxen, und Clark Kent war nicht beim Daily Planet, sondern Nachrichtensprecher bei Galaxe TV (ein wunderbares Denkmal dieser Ära setzte sich Curt Swan mit „Whatever Happened To The Man Of Tomorrow?“ gemeinsam mit Alan Moore 1997 selbst). Die Marvel-Comics aus dem Williams-Verlag waren fast schon vergessen und wurden in den Marvel Superbänden verramscht, und die Condor-Ausgabe der Spinne lag noch in ferner Zukunft. 1977 waren die Ehapa-Ausgaben das Maß aller Dinge, so lieblos und fragwürdig (man erinnere sich nur an die grauenhafte Übersetzung, die fingierte Leserbriefseite, die Sammelecken und die Briefmarkenanzeigen, für die Einzelbilder geopfert wurden) sie aus heutiger Sicht auch scheinen mögen.

Aber es gab ein Problem: die Einzelheftchen (Superman, Batman Sonderheft, Roter Blitz, Wundergirl und wie sie alle hießen) konnte man auf Einkaufstour mit Muttern relativ problemlos im Tante Emma Laden (Supermärkte gab’s noch keine) mitnehmen, die kosteten ja nur 1,40 DM (DM!!). Aber auf der Rückseite lockten unfassbare Kostbarkeiten. Unter der Überschrift „Die Welt der Superhelden“ grüßten da die Taschenbücher, Sonderbände – und die legendären „einmaligen Sonderausgaben“. Das waren großformatige (und teure!) Alben mit faszinierenden Titeln wie „Superman gegen Shazam“ (von letzterem hatten wir nie gehört), „Superman gegen Super-Spider“ (was Copyright-Probleme so mit sich bringen können), „Superman gegen Muhammad Ali“ – und eben „Superman gegen Roter Blitz“. Und diesen Band, den musste man einfach haben, denn schließlich war der Rote Blitz neben Batman mit die coolste Sau im Ehapa-Universum. Wer sonst konnte im roten Ganzkörpertaucheranzug mit einem Blitz auf der Brust und Flügel an den Ohren überzeugen?

Irgendwie muss ich es geschafft haben, diesen Band doch zu ergattern – und ihn dann gefühlte 100 Mal zu lesen. In den Wirren, denen der Großteil meiner Ehapas zum Opfer fiel (ich schwöre, dass sie beim Umzug Anfang der 80er als Altpapier entsorgt wurden, obwohl das natürlich keiner der mutmaßlichen Täter zugeben will), kam auch dieses Juwel abhanden. Nachdem sich aber dank einschlägiger Online-Auktionshäuser und Comicmessen ganze Jahrgänge rekonstruieren ließen, lässt sich auch die „einmalige Sonderausgabe“ Gottlob wieder würdigen.

Ursprünglich erschien das 80seitige Softcover als Band 2 der „Superman Sonderausgaben“ im Jahr 1977 und kostete fürstliche 5,50 DM. Geboten werden insgesamt drei Stories und ein wenig Füllmaterial. Die Hauptattraktion bildet natürlich das größte Rennen aller Zeiten. Unter dem Titel „Supermans Wettlauf gegen Roter Blitz“ (Text: Jim Shooter, Zeichnungen: Curt Swan und George Klein) umrunden Supie (ja ja, so nannte man ihn) und Blitz im Rahmen einer Benefiz-Sause der UNO dreimal die Erde, um dabei festzustellen, wer denn nun der Schnellste ist. Supie hat dabei Flugverbot, damit alles fair abläuft. Keine Frage, dass diverse Lumpensöhne sich dieses Jahrhundertereignis zu Nutze machen wollen – die „Wettkartelle“ aus Europa und den USA (wo es natürlich jeweils nur eines gibt) versuchen durch miese Tricks, jeweils den eigenen Kandidaten nach vorn zu bringen. Da werden Glasscheiben aufgestellt, in die Blitz hinreinrast, Superman wird durch Kryptonit-Dampf außer Gefecht gesetzt, und Betrüger mit Düsenstiefeln rasen anstelle der Helden die Strecke entlang. Klar läßt sich mit Hitzeblick und Supervibration alles noch in die rechte Bahn lenken – aber wer gewinnt, das wollen wir hier ja nicht verraten.

Als kleine Atempause führt uns Superman dann durch seine Festung der Einsamkeit – diese Art von Risszeichnung fand sich des Öfteren auch in den Superbänden. Seinerzeit für mich absolut faszinierend, aus heutiger Sicht Platzhaltermaterial. Aber schön, wieder einmal den riesigen Schlüssel zum unsichtbaren Schloss von Supies Domizil in der Arktis zu sehen.

An der Zeichenanleitung für den Roten Blitz (immerhin von Carmine Infantino) biss ich mir damals die Zeichenzähne aus, das wäre heute vermutlich nicht anders.

Als Zweitstory ist „Wettlauf zum Ende der Welt“ enthalten (Text: E. Nelson Bridwell, Zeichnungen: Ross Andru und Mike Esposito), in denen zwei außerirdische Glücksspieler eine Revanche verlangen und dafür die ganze Gerechtigkeitsliga als Geisel nehmen – wer verliert, so die Drohung, dessen Heimatstadt wird vernichtet. Also auf zur zweiten Runde, die allerdings nicht um die Erde, sondern quer durch die Milchstraße führt. Natürlich geht auch hier wieder nicht alles mit rechten Dingen zu, und Supie entlarvt ein Komplott, das eigentlich zwei ganz andere alte Bekannte geschmiedet haben. Mit von der Partie ist hier Aquaman, der über mehrere Lichtjahre Entfernung hinweg einen Fisch zu Blitz sprechen lässt. Unbezahlbar.

Den Abschluss bildet dann „Zottelmonster gegen Gerechtigkeitsliga“ (die Titel allein sind Gold wert – Text: Len Wein, Zeichnungen: Dick Dillon und Dick Giordano), in der Hector Hammond, ein alter Feind der Grünen Leuchte, eine Art Bigfoot auf die Liga in ihrem eigenen Satelliten loslässt und so nacheinander Blitzschwalbe, Falke, Atom, Batman, Wundergirl und Supie matt setzt. Aber Leuchte, der auf der Erde geblieben ist, greift ein und rettet den Tag.

Die Qualität der Zeichnungen lässt aus heutiger Sicht klar erkennen, dass man sich für diese Sammelausgabe aus unterschiedlichsten Quellen bediente. Die letzte Story entstammt eindeutig den damals noch vergleichsweise aktuellen Justice League-Ausgaben (die Giordano-Handschrift ist unverkennbar) und bietet durchaus gute Action, während die beiden Wettrennen-Geschichten eher den 60ern zuzuordnen sind, in denen die Superhelden-Comics noch unter dem Schock der Seduction Of The Innocent-Debatte, in der Comics als jugendgefährdender Schund denunziert wurden, relativ harmloses, kindgerechtes Material produzierten. Das US-Original des ersten Rennens („Superman’s Race With The Flash“) entstammt der Superman-Ausgabe 199 von 1967, das Rematch („The Race To The End Of The Universe“) erblickte in Flash 175 ebenfalls 1967 erstmals das Licht der Welt. Die Stimmung in den ersten beiden Stories ist bei allen Bedrohungen immer fröhlich und familientauglich, an keiner Stelle ist eine echte Gefahr zu spüren, stets ist klar, das alles in Butter sein wird, sobald das letzte Bild auftaucht.

Ganz im Gegensatz dazu geht es in der Bigfoot-Geschichte etwas heftiger und realistischer zur Sache, so etwa, als der Satellit der Liga in der Erdatmosphäre zu verglühen droht. Kein Wunder, stammt die Story doch aus der Feder von Len Wein, dessen Geist so finstere Gestalten wie Swamp Thing entsprangen. Der Stil (sowohl Zeichnungen als auch Story) kennzeichnete denn auch die Gerechtigkeitsliga-Alben des Ehapa-Verlages. Beste Kost also. Zu finden war die Geschichte ursprünglich 1973 als „The Shaggy Man Will Get You If You Don’t Watch Out!“ in Justice League Of America 104.

Was aber zumindest für Leser meiner Generation einen wohligen-nostalgischen Schauer hervorrufen dürfte, ist die Sprache der Übersetzung. Das Lettering ist fürchterlichste Druckschrift, die Eigennamen sind stets großgeschrieben, was wohl heldenhaft wirken sollte („Ich hoffe, BLITZ hört, was SUPIE ihm zuruft“), und allzu oft spürt man, dass das US-Original so gar nicht in die knappen Sprechblasen passen wollte („Bin müde – muss ausruhen!“, „Ist ’ne Falle!“, „Falscher Fuffziger!“). Nicht zuletzt das macht aber den Reiz dieser Bände aus – was natürlich nur funktioniert, wenn man sie schon damals gelesen hat und jetzt endlich versteht, warum die Leute so seltsam reden. Wer nur die Stories bestaunen möchte, der ist mit Nachdrucken der Originale sicherlich besser bedient, aber wer in den 70ern am Kiosk inständig hoffte, dass der Rote Blitz dieses Mal mit geliefert wurde, der sollte zugreifen, wenn sich die Chance bietet. In gutem Zustand ist man mit ca. 25 Euro dabei. (hb)

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