Apache Junction, die neue Serie des Niederländers Peter Nuyten, ergänzt seit kurzem das Western- Portfolio des Splitter Verlages. Der erste Band zeichnet sich u.a. durch seine famose Landschaftsdarstellung und eine komplexe Handlung aus, die die gängigen Western-Trampelpfade erfolgreich verlässt. Wir sprachen mit Peter Nuyten nach seinem Besuch auf dem Comic-Salon in Erlangen:
Comicleser (CL): Wie lange haben Sie für die Konzeption und die Zeichnungen des Albums benötigt? Zeichnen und kolorieren Sie per Hand oder benutzen Sie einen Computer/Grafiktablett?
Peter Nuyten (PN): Für Teil 1 habe ich neun Monate gebraucht. Ich zeichne mit Bleistift, für Tinte benutze ich Pinsel und Stift. An Farben nehme ich Gouache und Aquarell. Farbgebung und Nachbearbeitung mache ich mit dem Computer und dem Grafiktablett. Das Gesamtkonzept oder das Design des gesamten Buches sind ursprünglich aus meiner Hand. Der Splitter Verlag hatte die Freiheit, die ursprüngliche niederländische Ausgabe für die deutsche Fassung in bestimmten Punkten anzupassen.
CL: Mit fortlaufender Dauer breitet sich die Geschichte von Apache Junction immer weiter aus. Auf wie viele Alben ist die Serie angelegt und wann erscheint Band 2?
PN: Die Geschichte ist eine Trilogie. Wann Teil 2 erscheint, ist noch unklar, da meine Arbeit als Illustrator Priorität hat. Man muss ja essen… Aber ich tue mein Bestes.
CL: Im informativen Anhang berichten Sie von Ihren Forschungen über die Geschichte der Apachen. Und für einen Comic ist es ungewöhnlich, wenn eine ganze Seite an Fachliteratur angegeben wird. Wie lange haben Sie für das Album recherchiert?
PN: Ich habe für die Forschung/Recherchen nicht lange gebraucht. Auf der einen Seite hat das mit der Tatsache zu tun, dass ich mehr als 10 Jahre für einen Verein für Indianer gearbeitet habe. Diese Stiftung hat eine Menge an Aktivitäten unternommen zur Unterstützung der Indianer in den USA. Es gab Dinge, die sich um Bodenschätze drehten in Indianerreservaten in Arizona und in Pine Ridge, Probleme mit Umweltverschmutzung in Reservaten in Kanada etc. Alkoholabhängigkeit und Drogenmissbrauch, Kriminalität und Gewalt unter der eigenen Bevölkerung waren Hauptprobleme. Auch haben wir Indianer im Amazonas unterstützt. Auf der anderen Seite weiß ich schon viel über die Indianer und insbesondere über die Apachen.
CL: Gut und Böse verschwimmen in der Story. Clinton zeigt Verständnis für die Apachen, die weißen Siedler bereichern sich mit illegalem Waffenhandel. Sind solche Vorfälle auch historisch verbürgt?
PN: Ja. Solche Fälle traten auf. Es war verboten, mit illegalen Waffen zu handeln. Die Waffen kamen von überall her. Aber vor allem aus Europa. Und es gab Anbieter, die während des Krieges nur an den Süden geliefert haben. Einige Länder waren stark abhängig vom Handel mit den südlichen Industriegebieten Amerikas. Zu dieser Zeit, etwa Ende der fünfziger Jahre (des 19. Jahrhunderts), gab es schon Probleme mit illegalen Waffen und nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges waren viele ehemalige Soldaten der Südstaaten nach Mexiko, Brasilien, Argentinien und den Westindischen Inseln geflohen. Diese Ex-Soldaten verbrachten eine Menge Waffen und eigene Truppen an die Grenze von Arizona/New Mexiko und Mexiko. Auf der einen Seite, um die Herrschaft von Maximilian (Kaiser von Mexiko von 1864-1867) zu unterstützen, und auf der anderen, um noch Geld verdienen zu können. Dazwischen befanden sich die aufständischen Apachen. Auch an die Apachen wurde geliefert. Und um die Waffen bezahlen zu können, stahlen die Apachen Vieh und Geld in Mexiko. Im Gegensatz zu Darstellungen im Amerikanischen Film kämpften die Apachen zuerst gar nicht gegen die amerikanischen Siedler, sondern gegen ihren Erzfeind Mexiko. Anschliessend gibt es dann alle möglichen Dinge, die ich jetzt nicht erzähle, da einige von ihnen in der weiteren Story von Apache Junction auftreten werden.
CL: Die Zeichnungen, v.a. die Landschafts-Darstellungen rücken Apache Junction in die Nähe von Girauds Blueberry. War das beabsichtigt oder ärgert Sie dieser Vergleich?
PN: Nein, im Gegenteil… ich werde das als Kompliment nehmen, weil niemand die Essenz von Giraud zu Papier bringen kann. Er beherrschte in einem bestimmten Moment in seiner Karriere, die Realität mit seinen aussagestarken, aber manchmal feinen grafischen Linien einzufangen.
Die Landschaft, wie sie von Giraud gezeichnet war, beruht auf der Realität. Aus meiner Sicht ist die Landschaft (oder das Dekor) lediglich als Metapher oder als Protagonist zu erklären. Die stilistische Ausführung ist eine andere. Es gibt mehrere Künstler auf der Welt, die den gleichen Stil beherrschen. Obwohl Girauds Arbeit für meinen Geschmack am besten gelungen ist. Und dann habe ich eigentlich nicht einmal über die Darstellung der Wirklichkeit allein gesprochen: da gibt es zum Beispiel die Verhältnisse der Gesamtseiten, die Gestaltung der Panels, einschließlich der Platzierung der Sprechblasen, der Texte oder der gesamten Typografie, die Farbe, Interaktion und Reaktion der Szenen mit ihren Protagonisten. Ich bemühe mich jedoch um das gleiche Ziel. Wenn ich die gesamte Struktur einer Seite nicht übersehe, ich meine also in einem separaten Panel, dann habe ich meine Arbeit nicht gut gemacht. Aber wenn die Landschaft (oder das Dekor) in der gesamten Erzählung keinen Wert haben soll, dann ist für mich die Geschichte beendet. Da es ja zu nichts führt. Trotz der Panels, wo Landschaft oder Dekor keine Funktion haben in Bezug auf die Gesamtheit der Panels an sich. So bedeutet es im Grunde nichts, wenn man eine Giraud-Landschaft zeichnen kann, wenn das gesamte Design der Seite, also quasi das „das Ganze“ nicht korrekt ist/nicht passt.
Giraud, Hermann, Rouge, Rossi, Auclair, Foster, Arranz, Ambrosio, Palacios, Blanc-Dumont, Swolfs, Boucq, Pellerin und natürlich Girod sind alle Künstler, die irgendwie das gleiche taten, oder immer noch tun. Der eine macht es besser als der andere. Es ist eine Schule, die vor langer Zeit aus Amerika zu uns nach Europa kam. Milton Caniff war unter anderen ein Meister in diesem Stil, und er hatte viele Nachfolger wie Gillian (d.i. Jijé), Derib, Aidans, Uderzo, etc. Grundsätzlich ist es ein Stil, der schwer zu realisieren ist. Durch vorsätzliches Kopieren kann man das Wesen des Stils nie verstehen. Ich habe eine Menge an Zeichnungen und Malereien in meinem Leben produziert. Auch viele Landschaften in allen möglichen Zeichenstilen. Und die Landschaft wird immer mit den Menschen verbunden. Giraud war begeistert von der Landschaft. Von der Gegend. Ohne Dekor ist der Mensch in einer Geschichte verloren. Der US-Tusche Stil, der in Europa von Joseph Gillian eingeführt und später von Giraud perfektioniert wurde, ist meiner Meinung nach der angenehmste und so für mich (aber nicht unbedingt für andere) technisch überschaubar für mein Ziel, die Wirklichkeit zu interpretieren.
CL: Haben bei der Inspiration auch klassische Westernfilme wie die von John Ford eine Rolle gespielt?
PN: Ja, John Ford, insbesondere aber auch andere stilistisch gut gemachte Filme von unzähligen Filmemachern wie zum Beispiel Bergman und Kurosawa.
Auch Filme wie Hombre (Man nannte ihn Hombre, 1967) und The White Buffalo (Der weiße Büffel, 1977) sind spezielle Western, in denen Gefühl/Stimmung eine wichtige Rolle spielt. Und damit auch in meiner Arbeit.
CL: Sie arbeiten mit Auguria (über die Römer in Germanien) an einer zweiten historischen Serie. Wird diese auch auf Deutsch erscheinen? Was ist in der ‚Herstellung‘ aufwendiger: Auguria oder Apache Junction?
PN: Ob es eine deutsche Übersetzung von Auguria erscheinen wird, weiß ich noch nicht.
Es gibt keinen Unterschied, da beide Themen für mich gleich sind. Aber die komplexe Thematik in Auguria war allerdings ein Nachteil, da es ursprünglich als Trilogie gedacht war. Der ursprüngliche Herausgeber wollte zunächst nur ein „One-Shot“ von Auguria veröffentlichen, weil er zuerst sehen wollte, wie das Album beim Leser ankommt. Also musste ich eine komplette Intrige heraus schneiden, und ein Teil des letzten Kapitels ist niemals ausgearbeitet worden. Das bedeutet, dass damit Auguria kompakter und abgeschlossen war. Und so blieb an manchen Stellen viel Text übrig.
Jedoch habe ich später beschlossen mit der Geschichte von Auguria weiter zu machen und einen zweiten Teil zu entwickeln. Also ein frischer, neuer Start – aber Apache Junction hat Priorität!
CL: Wie hat Ihnen der Comic-Salon in Erlangen gefallen? Besuchen Sie auch solche Veranstaltungen in Holland/Frankreich/Belgien?
PN: Der Comic-Salon ist mir sehr gut gefallen! Organisatorisch war er auch gut gemacht. Beim Splitter Verlag lief es sehr gut, glatt und entspannt. Splitter ist ein gutes Team mit Kundenorientierung, und ich finde, dass der Kunde das auch erkannt hat. Ich habe einige gute und angenehme Tage hinter mir. Ja, ich besuche auch Festivals in den Niederlanden und Belgien, aber die sind jedoch nicht so groß.
Ich habe einige Erfahrung mit Signieren aufgrund der Tatsache, dass ich zusammen mit Daan Jippes und Gerben Valkema (und später auch mit anderen Künstlern und Autoren) von 1999 bis 2012 den niederländischen Familien-Comic Jan, Jans und die Kinder gezeichnet habe (1980 wurde dieser Comic in Deutsch veröffentlicht als Ulli, Ulla und die Kinder – drei Bände). Der Comic wurde ursprünglich von Jan Kruis geschaffen.
CL: Vielen Dank für die ausführlichen und interessanten Antworten.
(bw)