Apache Junction, Band 1 (Splitter)

Mai 23, 2014

Apache Junction, Band 1

Blueberry-Freunde aufgepasst! Hier kommt ein weiteres sehr feines Beispiel dafür, dass gerade das Western-Gerne nicht nur im Film, sondern auch im Comic seine kongeniale Umsetzung finden kann. Peter Nuyten, Zeichner und Autor in Personalunion, breitet vor einem historisch verbürgten Hintergrund eine packende und komplexe Story aus: im Grenzgebiet zu Mexiko (Apache Junction ist eine Stadt im Pinal County im US-Bundesstaat Arizona) sorgen im Jahre 1875 die Apachen für Aufruhr, da sie seltsamerweise den immer weiter vordringenden weißen Siedlern nicht fröhlich entgegenströmen, sondern versuchen ihr jahrtausendealtes Recht auf ihr Land zu verteidigen. Auch von Gefängnisfesseln nicht zu halten ist dabei der Chiricahua Apache Schwarzer Wolf, dem die Flucht aus der Haft beim US-Militär gelingt, worauf er sich mit mexikanischen Brüdern zusammenschließt, um seinen Widerstand auf eine breitere Basis zu stellen. Da den Besatzern im Fort Apache Böses schwant, schicken sich den Kurier Roy Clinton in Richtung Fort Bowie, um dort eine entsprechende Warnung abzusetzen. Aber dort kommt Clinton nie an: auf dem Weg trifft er auf eine ausgebrannte Kutsche nebst Leiche, wird von zwei Apachen überfallen und rettet sich gerade noch auf die nahegelegene Farm der Familie Bentley. Dort wird er gehegt und gepflegt, bis sich die Verhältnisse überraschend umkehren: unter Belagerung der Apachen gibt Frau Bentley zu, dass ihr Mann in illegale Waffengeschäfte mit den Indianern verstrickt war und diese dabei hintergangen hatte, weshalb er als eben jene verkohlte Leiche neben seinem Planwagen endete, die der Kurier auf seinem Weg entdeckt. In einer aussichtslosen Lage schlägt sie Schwarzer Wolf einen Kuhhandel vor: sie führt die Indianer zu den versteckten Waffen, im Gegenzug lässt Schwarzer Wolf sie und ihre Kinder dafür laufen. Besonders pikant wird die Angelegenheit, als Clinton zugibt, mit Schwarzer Wolf verwandt zu sein…

In bildgewaltiger und erzählerisch überraschender Manier entfaltet Nuyten hier eine Story, die vor allem aufgrund ihrer Ambivalenz und kritischen Haltung gegenüber einseitiger Frontier-Romantik besticht. Angelehnt an die Grundzüge von John Ford-Klassikern wie Fort Apache und The Searchers zeigt Nuyten, wie sich Siedler, Armee und Indianer gegenüberstehen und dabei nicht etwa der edle Weiße gegen den barbarischen Wilden kämpfen muss. Ganz im Gegenteil erscheinen die Siedler in Person der Bentleys als gewissenlose Ausbeuter, die ihre Kinder vollkommen verantwortungslos in Lebensgefahr bringen, um sich mit dem Waffenschmuggel an die Apachen eine goldene Nase zu verdienen. In ironischer Parallelität bangt auch Schwarzer Wolf um seine Kinder, die seine Spießgesellen als Faustpfand benutzen, um sicherzustellen, dass Schwarzer Wolf für die Bewaffnung der Aufständischen sorgt. Clinton wandert dabei zwischen den Welten: immer wieder äußert er Verständnis für die Situation der Indianer, die in Reservate abgedrängt werden sollen und ihr Erbe verteidigen.

Thematisch werden dabei zwar auch Hollywood-Filme wie Gebrochener Pfeil aufgerufen, aber doch insbesondere der eingangs erwähnte Über-Klassiker des Comic-Genres (eine Liste mit Rezensionen von Western-Comics findet man am Schluß des Beitrags): wie der freigeistige, rebellische Leutnant Blueberry ähnelt auch Clinton den zerrissenen Helden der Schwarzen Serie oder der französischen Nouvelle Vague, die zwischen allen Fronten stehen und dennoch eine ganz eigene Tugend verfolgen, während die Belange der Indianer gleichberechtigt erscheinen. Wie Blueberry unter den Händen von Jean Giraud, kommt auch Apache Junction und seine Protagonisten in einer realistisch-schmutzigen zeichnerischen Inszenierung daher, die deutlich mehr in der Tradition der Italo-Western von Sergio Leone steht als im Gefolge der Saubermänner, die im klassischen Hollywood-Western wie etwa Dodge City von Michael Curtiz den Westen eroberten. Wie Giraud brilliert auch Nuyten durch eine detaillierte, oft großformatige Landschafts-Darstellung, in der die Natur (wie im englischen romantischen Roman vom Schlage eines Wuthering Heights) nicht selten wie ein gesonderter Protagonist wirkt, die Handelnden beeinflusst und somit einen ganz eigenen Stellenwert einnimmt. Dominierend sind Pastelltöne und tiefenscharfe, schraffierte Einzelelemente, wobei breitwandhafte Panels von kleineren Detail“aufnahmen“ gezielt unterbrochen sind und somit ein fließender Rhythmus entsteht. Eine wunderbare Kombination von Form und Inhalt also, die nebenbei ein mitreißendes Lesevergnügen bietet. (hb)

Apache Junction, Band 1: Buch 1
Text & Bilder: Peter Nuyten
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-86869-734-6

 

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