London, East End: Alfred Hawthorne, genannt Alfie, war ein bekannter Magier und Okkultist. Jetzt ist er tot und beerdigt. Seine einzige Verwandte ist Ellie, seine Nichte und gewissermaßen auch seine Nachfolgerin. Denn auch Ellie versteht sich auf Magie und Beschwörungen. Die setzt sie v.a. für den Gangster Frankie Wax ein, quasi als dessen Haus- und Hof-Okkultistin. Außerdem ist sie für Frankie die Frau fürs Grobe. Jetzt steht sie vor einem gewaltigen Problem: Denn die 72 Dämonen (nein, keine Jungfrauen) sind los, befreit aus der Hölle. Und – was die Sache nicht besser macht – für jedermann frei beschwörbar. Waren Dämonen-Beschwörungen früher eine komplexe wie riskante Angelegenheit, kann sich nun jeder Hobby-Magier mittels einer magischen Münze seinen eigenen Dämon „sichern“.
Aber wie kommt das und warum ist das so? Nach einer ersten fatalen Dämonen-Begegnung im Pub direkt nach Alfies Beerdigung tut sich Ellie mit der inzwischen suspendierten Polizistin Dora Lafon aus New Orleans zusammen, die ebenfalls eine Vergangenheit mit Alfred Hawthorne hat. Gemeinsam und mit Hilfe des Okkultisten und Ellies Freund Carlin versuchen sie der Ursache der Dämonen-Schwemme auf den Grund zu gehen – ein heikles Unterfangen, bei dem sich aber schon bald ein vermeintlicher Drahtzieher heraus kristallisiert. Und was hat all das mit dem Tod von Onkel Alfie zu tun?
Die neue Serie von Simon „Si“ Spurrier (u.a. „Crossed“ bei Panini und „Coda“ bei Cross Cult) und Walking Dead Zeichner Charlie Adlard widmet sich ganz der Magie und dem Kampf gegen die Dämonen, die London nach und nach unsicher und unsicherer machen. Im Mittelpunkt steht dabei Ellie Hawthorne, auch gerne „Bloody El“ genannt, die schon fast als legitime Nachfolgerin John Constantines durchgeht: Wie der Hellblazer strotzt sie vor Sarkasmus, ist mutig und furchtlos, säuft und raucht und zeigt immer wieder eine selbstzerstörerische Ader. Und: Sie ist clever, fast bauernschlau. Unweigerlich fragt man sich, warum sie dann noch für den vergleichsweise tumben Gangsterboss Frankie Wax die (magische) Drecksarbeit erledigt.
Für Ellie gibt es nur ein Ziel: Die Dämonen zu exerzieren und damit zurück in die Hölle zu schicken. Und dabei mit allerlei magischen Tricks und Finten gegen einen mächtigen Widersacher zu bestehen. Neben der vordergründigen Action, die damit einhergeht, und der stets schnoddrigen Ellie, zeigt der Band auch, was geschieht, wenn plötzlich und unerwartet Normalos große Macht erlangen – Stichwort „Dämonen-Missbrauch“. Durch die Dämonen und deren Eigenschaften und Kräfte, die superheldengleich eingesetzt werden, sucht jeder seinen Platz an der Sonne – wobei der bekannte Spidey Spruch „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“ fast durchgehend ad absurdum geführt wird.
Auch sonst weiß der Band zu punkten. Schon mit dem originellen Beginn, in dem Ellie in der Ich-Perspektive vorgestellt wird. Dann mit den frechen, selbstironischen Dialogen. Es gibt relativ viel Text und damit einiges zu lesen, zwischendurch auch immer wieder ganzseitige Abhandlungen von Alfred Hawthorne. Und die Dämonen überraschen gerne mit unerwarteten Eigenschaften, zwischen Freundlichkeit und roher Gewalt. Zeichnerisch bleibt Charlie Adlard seinem bewährten Stil treu, nur diesmal komplett in Farbe (wie schon bei seinem Zweiteiler „Vampire State Building“), wobei Sofie Dodgson die stimmige Kolorierung besorgt. Fazit: eine durchaus komplexe, hoch unterhaltsame, im wahrsten Sinne dämonische Hellblazer Variation. Der Band beinhaltet die ersten sechs Hefte der Reihe. Teil 2 ist für den Oktober geplant. (bw)
Damn them all, Band 1
Text & Story: Simon Spurrier
Bilder: Charlie Adlard, Sofie Dodgson (Farben)
176 Seiten in Farbe, Softcover
Cross Cult
22 Euro
ISBN: 978-3-98666-486-2