Maroons. So nennt man entflohene Sklaven und deren Nachkommen, die versteckt, isoliert und damit nur „halboffiziell“ seit Jahrzehnten auf kleinen Inseln tief in den Bayous von Louisiana leben. Jetzt haben Unbekannte eine dieser verborgenen Gemeinschaften gnadenlos niedergemetzelt. Holly Ann, die mit Nysa und Sergeant Loyola dorthin unterwegs war, findet nur noch die Leichen der Ermordeten vor. Und eine verräterische weiße Kapuze. Treibt etwa der Klan wieder sein Unwesen, der eigentlich offiziell aufgelöst wurde? Eine weitere Spur führt zunächst in eine andere Richtung: eine Opiumflasche mit einem schwarzen Drachen auf dem Etikett. Da die Behörde die Existenz der Maroon-Gemeinschaften verneinen, stellt Holly Ann einmal mehr eigene Nachforschungen an. Und stößt in Chinatown auf eine Mauer des Schweigens. Bis ein Geist aus der turbulenten Vergangenheit Holly Anns vermeintlich wieder auftaucht…
Wer hat das Massaker begangen und anschließend durch einen Brand sämtliche Spuren gelöscht? Hat sich tatsächlich der Ku-Klux-Klan wieder formiert, der 1871 aufgelöst wurde? Die gefundene Kapuze weist zwar darauf hin, aber warum wurde sie so plump am Tatort zurückgelassen? Dann: wie passen Opiumflasche und deren ominöse Herkunft zu dem Verbrechen? Steckt etwas anderes dahinter als bloßer Rassenhass? Und woher hatten die Maroons plötzlich so viel Geld, das sie in einer Spelunke am Rand der Bayous so freimütig ausgaben? Tappt Holly Ann anfangs im Dunkeln, gemeinsam mit uns Leserinnen und Lesern, bringt sie schon bald Struktur in ihre Nachforschungen und weiß die aufgetauchten Indizien einzuordnen. Die Rückblende in die eigene Vergangenheit irritiert dabei etwas und läuft letztendlich leicht ins Leere, ehe es zum Finale kommt.
Mit dem vermeintlichen Auftauchen des Klans beschwören Autor Kid Toussaint und Zeichner Stéphane Servain (u.a. „Warrens Schwur“) in ihrem Abschlussband der Serie düstere Schatten der Vergangenheit – die Zeit in der die Reihe spielt, das New Orleans an der Schwelle zur Moderne, tritt dabei zurück (einmal wird der elektrische Stuhl erwähnt). Blinder Rassenhass und Diskriminierung, sowie geschlossene Gesellschaften (auch für die Chinesen sehen alle Weißen „gleich“ aus) zeugen von einer unbequemen Aktualität. Da auch inhaltliche Verbindungen zum ersten Band hergestellt werden, schließt sich ein Kreis. Servains Zeichnungen wechseln zwischen Detailfreudigkeit und Skizzenhaftigkeit, wobei er stets ausdrucksstarke Gesichter schafft. Dazu die gediegenen Farben, wodurch immer wieder phantastische anmutende Szenerien erzeugt werden, v.a. zu Beginn des Bandes. Insgesamt etwas schwächer als die Vorgänger, aber ein würdiger Abschluss, der im Original bereits 2018 bei Casterman erschien. Bis heute gilt die Serie damit leider als beendet. (bw)
Holly Ann, Band 4: Das Jahr des Drachen
Text: Kid Toussaint
Bilder: Stéphane Servain
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro
ISBN: 978-3-96792-363-6
