Holly Ann, Band 1 (Splitter)

November 12, 2015

Holy Ann, Band 1 (Splitter)

New Orleans, irgendwann um 1900 (die Straßenbahnen fahren bereits elektrisch). Hier lebt die hübsche Mulattin Holly Ann Artoure, in der Stadt offenbar bekannt wie ein bunter Hund, und mit einer klaren Beobachtungs- und Kombinationsgabe gesegnet. Seit einigen Tagen sind gleich zwei Jungen verschwunden: George Gerbeaud, Sohn eines reichen Plantagenbesitzers und der farbige Martin Fontaine. Im Gegensatz zur Polizei untersucht Holly Ann Gemeinsamkeiten an den beiden Fällen und stellt Verbindungen her. Ihr zur Seite steht der Autor Thomas Jofferdale, der eine Art Reiseführer über New Orleans verfassen will und daher bei Holly Ann ortskundige Unterstützung sucht. Während die Polizei, nachdem die Leiche Gerbeauds gefunden wurde, einen Mord im Voodoo-Milieu vermutet und sämtliche derartige Aktivitäten streng untersagt, ermittelt Holly Ann gezielt auf eigene Faust. Erste Verdächtige finden sich in der Gerbeaud-Familie. Nachdem Holly Ann und Jofferdale nur knapp einem Mordversuch entgehen, findet sie auch die Leiche Fontaines. Die Indizien verdichten sich und Holly Ann verfolgt einen bestimmten Verdacht…

Die Heldin der neuen Reihe, Holly Ann, ist eine emanzipierte Frau. Selbstbewusst, sich mit eigenem Kopf über Konventionen hinwegsetzend, mit einer Kombinationsgabe, die an Sherlock Holmes erinnert. Dabei immer ruhig und besonnen, von anderen geachtet und immer äußerst zielstrebig. Jofferdale wirkt anfangs etwas deplaziert, wird dann zu Holly Anns Sidekick und nimmt sogar eine Watson ähnliche Rolle ein. Er ergänzt seine Partnerin, rettet schließlich ihr Leben, kommentiert und stellt die richtigen Fragen und wird so beinahe zum Bindeglied zwischen dem Leser und Holly Ann. Eine weitere Hauptrolle spielen New Orleans und der geheimnisumwitterte, Fremden nicht zugängliche Voodoo-Kult: wir treffen mit Königin Alba eine vermeintlich seherische (eigentlich ist sie nur clever), gut informierte Priesterin und sehen dann eine wilde, zügellose Voodoo-Zeremonie, die auch für das höher gestellte weiße Bürgertum eine Plattform bietet, mal ‚die Sau rauszulassen‘. Dabei bleibt Holly Ann immer auf dem vernünftigen Boden der Tatsachen, etwa wenn sie erklärt, warum manche Gräber im Regen seltsame Klopfgeräusche von sich geben.

Holly Ann Panel Servain kennen Comicleser von seiner Reihe ‚Warrens Schwur‘, die der Finix-Verlag 2013 mit Band 4 beendete. Ich mag seinen Stil, der immer ein wenig skizzenhaft und unbestimmt daherkommt, aber genügend Kraft aufweist und immer genauso detailliert und realistisch ist, wie es die Situation erfordert. Holly Ann ist stets herrlich getroffen und das schwüle New Orleans und dessen sumpfiges Umland trefflich und atmosphärisch dicht in Szene gesetzt. Die Farbgebung ist stimmig, auch wenn Servain, der auch selbst kolorierte, ab und an ein wenig zu viel auf Gelb setzt (was im Gesamtbild an Rossis und Dorisons ‚W.E.S.T.‘ erinnert). Die ruhige und angenehm unspektakuläre Erzählweise, über der ab und an ein Hauch von Mystik und Schaudern hängt, und die die Krimihandlung nach und nach entwickelt, tut ihr Übriges. Wie in einem klassischen Mörderspiel werden langsam Details enthüllt, die zuerst für Holly Ann ein schlüssiges Bild ergeben. Wobei die Aufklärung des Falls dann doch zu überraschen weiß. Ein gelungener Serien-Auftakt. Exotisch, spannend und immer schön anzuschauen. (bw)

Holly Ann, Band 1: Die Ziege ohne Hörner
Text: Kid Toussaint
Bilder: Stéphane Servain
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-232-8

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