Christopher Chance muss richtig gut sein in seinem Job. Denn der ist äußerst gefährlich. Jeder Auftrag könnte der letzte sein, lässt Chance dabei maximale Vorsicht und Cleverness außer Acht. Chance arbeitet als menschliche Zielscheibe – als Human Target. Dafür schlüpft er in fremde Rollen und hält für andere, gerne auch Prominente, den Kopf hin. So auch diesmal. Denn wer hier auf der Bühne steht ist nicht Lex Luthor, sondern Chance, der auch prompt einen Anschlag auf sich, also Luthor vereitelt. Job erledigt, wieder einmal. Wäre da nicht diese seltsame Übelkeit, die ihn plötzlich überkommt. Bei einem Besuch bei Dr. Mid-Nite stellt sicher heraus. Chance wurde vergiftet und hat noch zwölf Tage zu leben. Aber galt der Giftanschlag ihm oder Luthor? Und kann es tatsächlich sein, dass ein Mitglied der Justice League International dafür verantwortlich ist?
Die Figur des Human Target erdachten bereits 1972 Len Wein („Swamp Thing“) und Carmine Infantino. Bei uns erschien ein erster Vertigo-Band schon vor Jahren bei Speed/Tilsner. Auch Panini veröffentlichte bereits Comics mit dem „Human Target“, wie im Rahmen der TV-Serie, die zwischen 2009 und 2011 lief. Jetzt nimmt sich der angesagte Autor Tom King der Figur an und präsentiert einen lupenreinen Krimi – ähnlich wie er das bereits bei „Strange Adventures“ getan hat. Nur geht es hier nicht zu den Sternen, dafür spielt der Zweiteiler im Superhelden-Milieu. Der Clou: Das todgeweihte Opfer sucht selbst den Täter – ein Motiv, das wir aus den D.O.A.-Filmen kennen. Und: jeder der zwölf Tage, die Chance noch bleiben, nimmt ein Kapitel, also ein US-Heft ein – in Band 1 kommen also die ersten sechs Tage nach der Vergiftung zum Abdruck.
Bei seinen Ermittlungen und Nachforschungen erhält Chance unerwartete Hilfe. Mit Ice tritt unvermittelt eine Superheldin der JLI in sein Restleben, optisch ganz das Gegenteil einer typischen Femme Fatale. Die junge, attraktive Dame, die – ganz superhelden-like – bereits einmal tot war, fungiert für Chance als Türöffner bei ihren Teamkollegen und hat möglichweise mehr im Sinn, als ihn zu betören. Was ihr übrigens bestens gelingt. In der Folge ermittelt das Duo die vermeintliche Spur des Giftes und trifft dabei auf diverse Mitglieder der JLI, wobei nach und nach die ersten Puzzleteilchen zusammengefügt werden können. Doch die Zeit drängt. Chance geht es immer schlechter und der Täter oder die Täterin ist noch lange nicht überführt. Und ausgerechnet jetzt findet er die Liebe seines Lebens…
Wie die Reihe ausgehen mag, erfahren wir gleich zu Beginn. Wahrscheinlich führt uns Tom King damit aber an der Nase herum. Wunderbar inszeniert sind die Ermittlungen bei den diversen Helden, die gerne aus der zweiten Reihe stammen. Ob Green Lantern alias Guy Gardner, der sich als impulsiver Volltrottel entpuppt, oder Booster Gold, der sich selbst nicht ganz ernst nimmt und der sich mit einem Bagel-Laden ein zweites Standbein aufbauen will. Und dann ist da noch Ted Kord alias Blue Beetle, der als Superheld, Industrieller und Gönner eine Mischung aus Tony Stark und Adrian „Ozymandias“ Veidt gibt. Chance erzählt ganz Noir-typisch in der Ich-Form, so bekommen wir einen Einblick in sein Gefühlsleben und wissen immer mehr als die übrigen Figuren. Denn Chance geht clever vor und scheut auch nicht davor, Superhelden zu linken.
Der jederzeit spannend und dabei amüsant erzählte Black Label-Band und seine graumelierte, stets elegante Hauptfigur, die auch heikle Situationen meistert, erinnert dabei gerne an James Bond oder diverse Hardboiled-Detektive. Wobei das Setting alles andere als düster ist. Denn Zeichner Greg Smallwood verzichtet hier auf einen traditionellen harten, schwarzen Tuschestrich und setzt durchgehend auf eine stilvolle pastellfarbene Kolorierung mit durchaus ungewöhnlichen Nuancen, wodurch die Optik des Bandes eher an die Sechziger oder Siebziger Jahre als an die Gegenwart erinnert. Auch von diesem Band ist ein Hardcover Version mit Variant-Cover in limitierter Auflage erhältlich. Und jetzt sind wir massiv gespannt auf den abschließenden zweiten Teil. (bw)
Human Target, Band 1
Text: Tom King
Bilder: Greg Smallwood
196 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
24 Euro
ISBN: 978-3-7416-3031-6
