Anlässlich des (noch) aktuellen Kinofilms, der bereits 2020 starten sollte, aber Pandemie-bedingt jetzt erst auf die Leinwand kam, erschien bereits vor einiger Zeit ein Sammelband mit ausgewählten Geschichten, in denen sich Morbius, der lebende Vampir, mit seinem Lieblingsgegner Spider-Man auseinander setzen muss. Drei „historische“ Storylines sind es, die uns hier kredenzt werden, natürlich beginnend mit Morbius‘ erstem Auftritt in „Amazing Spider-Man“ Nr. 101 aus dem Jahr 1971. Unsere Geschichte startet aber noch ein Heft vorher – mit der Jubiläumsnummer 100: Auch nach so langer Zeit noch immer mit sich selbst hadernd, will Peter sein Spidey Alter Ego wieder einmal ad acta legen, was gründlich misslingt. Denn ein Selbstversuch, mit er seine Spinnenkräfte loszuwerden hofft, geht komplett in die Hose: Peter wachsen vier zusätzliche Arme, er wird damit spinnen-ähnlicher denn je.
Um in Ruhe die bedenkliche Mutation rückgängig machen zu können, bricht Peter alle Kontakte ab und flieht Hals über Kopf in das Ferienhaus des Wissenschaftlers Curt Connors, auch bekannt als Echse. Das Anwesen auf Long Island, das, wie Peter richtig erkennt, eher einem Horror-Haus gleicht, bietet dann auch die passende Kulisse für die erste Begegnung mit Morbius, einem neuen Gegner, der wie sein Vampir-Urahn Nosferatu auf einem unglücksseligen Schiff die Bildfläche der Zivilisation betritt, in Kostüm und Farbe dem bekannten Marvel-Dracula nicht unähnlich (der jedoch erst ein Jahr darauf auf der Comic-Bildfläche erscheinen sollte – nachdem der Comics Code gelockert wurde, fungierte Morbius als eine Art vampirischer Test-Ballon). Altmeister Gil Kane zeichnete den Dreiteiler in seinem charakteristischen Stil (viele Striche, weniger Flächen) und mit Heft 101 übernahm Marvel-Urgestein Roy Thomas die Autorenrolle von Stan Lee.
Im Jahr 1990 erschien die erste Ausgabe der berühmten „adjektivlosen“ Spider-Man Serie, die der damalige Star-Zeichner und spätere Spawn-Erfinder Todd McFarlane lange im Alleingang betreute. Auch Morbius wurde hier in einem Zweiteiler bedacht, in den Heften 13 und 14 („Sub-City“). Spidey will das mysteriöse Verschwinden von Obdachlosen aufklären. Die Spur führt in den New Yorker Untergrund, in den sich eine Gruppe Verstoßener von der Zivilisation verabschiedet hat – unter neuer Führung: Morbius, der von seinen Getreuen mit lebenden Blutkonserven versorgt wird. Auch hier tritt die Tragik um Morbius zutage, der wider Willen seinen Blutdurst stillen muss. Gezeichnet im typisch hypernervösen McFarlane Stil, der die Physiognomien der Figuren stark verzerrt und Morbius wahrlich monströs darstellt, wobei die unterirdischen Bewohner bereits an Charaktere aus Spawn erinnern. Und Spider-Man darf mal wieder sein schwarzes Kostüm tragen.
Kommen wir schon zum Ende des Bandes. Den Abschluss bildet eine feine Story des renommierten Autors Paul Jenkins (u.a. Batman, Wolverine), in der die beiden titelgebenden Kontrahenten im Prinzip nur Nebenrollen spielen (original in „Spectacular Spider-Man“ # 14 von 2003). Die Geschichte wird aus der Sicht eines jungen Mannes geschildert, der an den Rollstuhl gefesselt ist und nicht sprechen kann. Er wird Zeuge und dann Mittelpunkt eines erneuten Kampfes zwischen Spider-Man und Morbius, was in eine sehr persönliche Begegnung mit dem Netzschwinger mündet. Ausdrucksstark gemalt – nicht gezeichnet – von Paolo Rivera (u.a. Marvel Mythos, Daredevil), der Morbius wieder eine ganz andere Gestalt gibt und ihn in seinem Aussehen an seinen Urahn Nosferatu erinnern lässt, womit sich dann ein Kreis innerhalb des Bandes, der wie üblich auch in einer limitierten HC-Version (siehe rechts) erhältlich ist, schließt. (bw)
Spider-Man vs. Morbius
Text: Stan Lee, Roy Thomas, Todd McFarlane, Paul Jenkins
Bilder: Gil Kane, Frank Giacoia, Todd McFarlane, Paolo Rivera
164 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19 Euro
ISBN: 978-3-7416-1626-6