Siege haben manchmal die unangenehme Nebenwirkung, dass sie die Saat für die Vernichtung in sich tragen. Diese zweifelhafte Erfahrung durfte schon der griechische Feldherr Pyrrhus machen, nach dem die ganze Sache dann auch benannt wurde, aber auch die Gerechtigkeitsliga bleibt nicht davon verschont. Gerade eben freut man sich noch darüber, den Lumpensohn Darkseid mit vereinten Kräften zurückgeschlagen zu haben, da macht sich auch schon Unwohlsein breit. Nicht umsonst hat der fiese New God beim Abmarsch durch die Schallröhre noch gebrummelt, er habe ohnehin bekommen, auf was er es abgesehen habe: seine Attacke war nur ein Ablenkungsmanöver, um Cyborg nach Apokolips zu entführen. Dort will ihm Darkseid nämlich das fehlende Puzzlestück zur Anti-Lebens-Formel entreißen, die irgendwie im Mensch/Roboter verbaut scheint. Als Darkseid dem armen Cyborg allerdings mit seinem Folterknecht DeSaad und dann noch mit dem Tod selbst in Form von Black Racer zu Leibe rückt, kommt es zur Katastrophe: die Mächte des Todes sind entfesselt, Apokolips samt Darkseid fliegt in tausend Teile, und Cyborg wird per Schallröhre zurück zur Erde katapultiert, wo er die Saat eines zerstörerischen Virus sät.
Eine unaufhaltsame Todesseuche breitet sich rasend schnell aus, übertragen durch Blut und – ganz modern – jeden Kontakt mit einem Gerät, das mit dem Internet verbunden ist. In Windeseile verwandeln sich Millionen von Menschen in geifernde Zombies, die im Gegensatz zu den handelsüblichen Exemplaren nicht auf Menschenfleisch, sondern nur auf höchstmögliches Morden und Vernichten aus sind. Auch unsere Heldenriege wird alsbald von diesem Alptraum erfasst: als Hal Jordan sich mit Ollie Queen und Dinah Lance im Zeltlager entspannt, schaut er gelangweilt aufs Handy – und schon sehen sich Grüner Pfeil und Blitzschwalbe einem grünen Monstrum gegenüber, das Dinah per Ultraschall tötet, woraufhin sie der Ring prompt zur neuen Lantern kürt. Robin und Nightwing fallen der Pest ebenfalls zum Opfer und dringen in die Bathöhle ein, wo sie Batman nur zeitweise aufhalten kann: auch der schwarze Ritter wird infiziert und schließlich von seinem alten Weggefährten Alfred persönlich gerichtet, kurz nachdem er die schwarze Haube an seinen Sohn Damien übergeben hat, der in der Obhut von Superman und Lois weilt.
Auch in Atlantis wütet das Grauen, als sich König Aquaman als geifernde Bestie gegen seine Untertanen wendet, worauf seine Gattin Mera das Weite sucht und auf Themyscira Zuflucht findet, wo sie mit Wonder Woman und Superman eine Auffangstätte für Überlebende einrichtet. Aber das Grauen macht nicht Halt: als sich auch Captain Atom infiziert, scheint das Ende nah – in einer gewaltigen Atomexplosion vergeht nicht nur unser Held, sondern nebenbei auch Washington, Baltimore und Metropolis. Und schließlich geschieht das Unvorstellbare: Superman, der schon seinen Vater als Opfer beklagen muss, muss einen rasenden, außer Kontrolle geratenen Flash aufhalten und zieht sich dabei selbst Verletzungen zu, die auch den Mann aus Stahl in eine tödliche, unaufhaltsame Bedrohung verwandeln…
Willkommen im Zombieland! Dass man ein ganzes Comic-Universum komplett zombifizieren kann, diese Idee kam schon 2005 aus dem Haus der Wunder, als Walking Dead-Mastermind Robert Kirkman in der Miniserie „Marvel Zombies“ Lichtgestalten wie die Fantastischen Vier, Colonel (sic) America, Iron Man, Luke Cage, Wolverine und Spider-Man kurzerhand in schlurfende lebende Tote verwandelte. Der Kniff lag hier, wie so oft, in einer Multiverse-Storyline, die auf Erde 2149 (kein Witz) angesiedelt war und alle Superhelden von einem Virus befallen zeigte. In seiner finsteren Miniserie setzt Comic-, Theater und Fernseh-Autor Tom Taylor einen leicht anderen Akzent: jenseits aller Kontinuität kann er beherzt auftrumpfen und jagt die gesamte Justice League nebst Ablegern durch den Zombie-Schredder. Clever dabei schon einmal der Schachzug, dass sich das in solchen Stories allgegenwärtige Virus ganz zeitgemäß über das Internet verbreitet (nicht umsonst heißt Teil 1 vielsagend „Going Viral“) – und noch konsequenter die Vehemenz, mit der Taylor gnadenlos von Anfang an zentrale Figuren wie Green Lantern, Batman oder Aquaman abserviert, ohne auf irgendwelche seltsamen Klone/nur geträumt/Paralleluniversum-Klischees ausweichen zu müssen.
Wenn er tot ist, ist er tot, sagte schon Ivan Drago. Die im Zombie-Metier üblicherweise verpackten Themen – die dünne Hülle der Zivilisation, die angesichts der Bedrohung zusammenbricht, die Entmenschlichung der modernen Gesellschaft etc. etc. – tritt hier zurück hinter einer Fragestellung, die schon Alan Moore in „Watchmen“ und Garth Ennis mit seinem Kompagnon Darick Robertson, der auch hier die Finger im kreativen Spiel hat, in „The Boys“ aufwerfen: was wäre, wenn sich die allmächtigen, unter uns wandelnden Götter plötzlich gegen uns wenden? Wie kontrolliert man Allmacht, die außer Kontrolle gerät? Und wer bewacht die Wächter? Dabei zerlegt Taylor mit seinen Zeichnern Trevor Hairsine, Stefano Gaudiano (kennt das Genre von „The Walking Dead“) und eben Robertson in apokalyptischen Szenen Ikonen der DC-Welt: wenn etwa ein derangierter Aquaman mit einem ebenso mutierten Kraken Themyscira verwüstet oder ein der Zerstörung anheimgefallener Superman beweist, dass er wirklich eine lebende Bombe ist.
Dabei kommt auch ein gewisser pechschwarzer Humor nicht zu kurz: Batman etwa verzögert die Infektion, indem er sich einen von Mr. Freezes Kälteanzügen überstreift, und Green Arrow ist tödlich beleidigt, als er herausfindet, dass Batman von allen Mitgliedern der Liga außer ihm ein Dossier mit Schwächen angefertigt hat. Zu harmlos, das mag er gar nicht sein, unser Ollie. Dazu gestreut gibt es eine ganze Parade von Figuren zu bestaunen, die nicht gerade zur ersten Garde gehören, von einer tollwütigen Giganta über Blue Beetle bis hin zu Waverider, die natürlich alle ebenso das Zeitliche segnen wie Miracleman und seine Holde Big Barda. So entsteht ein wahrlich alptraumhafter Reigen, der so unterhaltsam wie beklemmend ist und unter dem vielsagenden Titel DCEased (hübsches Wortspiel mit deceased, verstorben) 2019 zu einem der größten Schlager aus dem Hause DC wurde und mittlerweile mit DCEased: Unkillables ein Spin Off gezeitigt hat, in dem sich zeigen wird, ob die Schurken bessere Überlebenskünstler sind als die vormals strahlenden Helden. Der vorliegende, voluminöse Band enthält die US-Ausgaben DCEased 1-6 mit der kompletten Storyline „A Good Day To Die“, die im Original von Juli bis Dezember 2019 erschienen. (hb)
DC-Horror: Der Zombie-Virus
Text: Tom Taylor
Bilder: Darick Robertson, Laura Braga, Stefano Gaudiano, Trevor Hairsine
228 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
24 Euro
ISBN: 978-3-7416-1800-0