Sentient (Panini)

Januar 28, 2021

Irgendwo, weit draußen in den Tiefen des Alls. Die U.S.S. Montgomery bringt Siedler zur Kolonie, einem Planeten, Jahre von der Erde entfernt. Gleich durchfliegt man einen mächtigen Strahlenggürtel und verliert deshalb für etwa zwölf Monate den Funkkontakt – sowohl zur Kolonie, als auch zur Erde, die nur noch für zehn Jahre bewohnbar sein wird. Doch auch in der Kolonie gärt es. Separatisten kämpfen um eine Loslösung von der Erdregierung, damit die fatalen Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal begangen werden. Was niemand ahnt: auch an Bord der Montgomery befindet sich eine Separatistin, die mit drastischen Mitteln verhindern will, dass das Schiff sein Ziel erreicht.

Der Plan schlägt jedoch dramatisch fehl. Am Ende sind die Erwachsenen tot. Übrig bleiben die Kinder, die Älteste ist Lil, gerade einmal zehn Jahre alt geworden. Die Kinder sind nun in dem gigantischen Schiff auf sich allein gestellt, ohne Kontaktmöglichkeit nach Außen und damit ohne Hoffnung auf Rettung. Alles hängt nun von der künstlichen Intelligenz des Schiffes ab, Valarie genannt. Val – eine Art Über-Alexa – hat die Kinder bereits vor dem sicheren Tod bewahrt, weist sie nun in die Führung des Schiffes ein und übernimmt damit auch eine gewisse Mutterrolle für die Kleinen, auf die bald weitere Gefahren warten…

Eine schier allsehende und allwissende K.I. in einem riesigen Raumschiff, auf dem die angestammte Ordnung außer Kontrolle gerät? Natürlich fällt da sofort der Bordcomputer Hal 9000 ein, der auf der Discovery One in Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ am Ende sein Hänschen klein singt (natürlich nur in der Deutschen Fassung). Und tatsächlich erinnern einige Dialoge Vals immer wieder an den irren Urahn. Doch zieht der immer emsige Kanadier Jeff Lemire, der am laufenden Band hochkarätigen Comic-Output generiert (Black Hammer, Ascender, Gideon Falls etc.), seine Val ebenfalls auf die dunkle Seite der Macht? Oder kann Val dauerhaft Empathie zeigen, wie es der Titel vermuten mag? Wir wollen hier nicht spoilern und soweit ist es auch noch nicht.

Denn erst muss sich Val mit der aufmüpfigen Lil herumärgern. Sie ist die Älteste, stur und eigensinnig. Dennoch schauen die anderen Kinder zu ihr auf. Dann gibt es noch Isaac, ebenfalls einer der Älteren. Seine Mutter war für das Drama an Bord verantwortlich, weshalb er zum Außenseiter abgestempelt wird. Jeff Lemire spielt hier mit bekannten (Genre-) Motiven, wobei er diese lediglich touchiert, um dann seine Story andere, neue und sehr gerne auch überraschend-drastische Wendungen zu geben. Erinnert Val natürlich an Hal 9000 und das Schicksal der Kinder an diverse alleine-und-verloren-im-All-Filme, erkennt man auch Anklänge an Goldings „Herr der Fliegen“, wobei bei Lemire das anarchische Chaos ausbleibt, weil Val eine schützende wie auch bestimmende virtuelle Hand über die Kinder hält.

Am Ende, das sei noch verraten, wird es dramatisch, ein Rennen gegen die Zeit und um das „Überleben“ Vals. Als die Kinder scheinbar chancenlos mit Gegnern konfrontiert werden, fiebert man als Leser regelrecht mit, immer in der Hoffnung, dass deren Entscheidung richtig ist und Val zu den Guten zählt. Die Zeichnungen des Spaniers Gabriel Hernández Walta, der für seine „The Vision“-Miniserie mit dem Eisner-Award ausgezeichnet wurde, passen wie bei Lemire Werken üblich, perfekt zur Story. Die Gesichter der Kinder sind ausdrucksstark in Szene gesetzt, im Gegensatz zur Kühle und Weite des riesigen Raumschiffes, das eigentlich als deren Spielplatz dienen sollte und nun zum Arbeitsplatz der Kinder geworden ist. Nur einige Nummer zu groß. In den USA erschien die Story in sechs Einzelheften beim noch recht neuen Verlag TKO Studios, von dem Panini in Kürze auch die Weltkriegs-Reihe „Sara“ von Garth Ennis und Steve Epting veröffentlicht. (bw)

Sentient – Kinder der K.I.
Text: Jeff Lemire
Bilder: Gabriel Walta
172 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
27 Euro

ISBN: 978-3-7416-2081-2

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