Raowl hat’s drauf. Als wahrer Rabiator in Gestalt eines kompakten Pitbulls haut er seine „orkigen“ Gegner – und davon gibt es reichlich – nach Belieben in Stücke. Selbst riesige Drachen und Seeungeheuer ziehen mit schöner Regelmäßigkeit den Kürzeren und begegnen dem Muster-Barbaren in der Regel nur einmal. Lediglich eines bleibt Raowl bisher verwehrt, einen Wunsch, den man sich mit Muskelkraft nicht erfüllen kann: Er möchte zu gerne das Herz einer Prinzessin erobern. Ein erster Versuch, nach gelungener Rettung, schlägt fehl. Die Holde wünscht sich lieber einen blonden Märchenprinzen – eine Eigenschaft, von der Raowl nicht weiter entfernt sein kann. Dann zeigt sich auch seine große Schwäche: Wenn er niesen muss, verwandelt er sich tatsächlich selbst in einen Prinzen – in einen arroganten Schnösel namens Herbert…
Auf zum zweiten Versuch: Die schöne junge Belle – wie soll sie auch sonst heißen bei dem Titel des Bandes – will vor einem Zyklopen gerettet werden. Ein Job, den Raowl pflichtbewusst erledigt. In seinem verwunschenen Märchengarten mitten im Wald versucht er nun, das Herz der Dame zu erobern, wobei er sich mal mehr, mal weniger geschickt anstellt. Nach einer weiteren unglücklichen Verwandlung in Herbert scheint es, als könnte man sich tatsächlich näher kommen. Doch dann wird Belle plötzlich von einer Schar Fledermäusen entführt, die sie über das Meer auf ein schreckliches Schloss tragen. Dort herrscht eine menschenfressende Hexe samt Sohn – und hat offenbar nicht mit Raowl gerechnet. Denn der macht sich erneut auf den Weg, Belle zu retten…
Den Franzosen Tebo (Frédéric Thébault), der für diese wilde wie herrlich respektlose Märchenparodie als Autor und Zeichner verantwortlich ist, kennen wir hierzulande aufgrund seines Bandes „Die jungen Jahre von Micky“, der bei Egmont/Ehapa im Rahmen der Disney Hommage Reihe erscheint und der in Angoulême preisgekrönt wurde. Kürzlich steuerte Tebo auch eine Episode für den Asterix Hommage Band bei. Sein Raowl ist ein furchtloser grober Klotz mit bestenfalls sprödem Charme, dem kämpferisch nichts und niemand das Wasser reichen kann. Auch bei der griesgrämigen Belle kann er anfangs nicht punkten, noch weniger jedoch als sein Alter Ego Herbert, in den er sich in bester Superhelden-Jekyll/Hyde Manier verwandelt.
Entsprechend makaber und rabiat sind dann auch die Kloppereien, die in ihrer Deftigkeit einen Gegenpol zu den schrägen Funny-Zeichnungen bilden. Dazu gesellen sich passend lakonisch schnoddrige Dialoge, die das Geschehen begleiten oder kommentieren („Eingeweide machen miese Flecken“). So richtig schräg wird es dann nach der Entführung Belles in das unheimliche Gemäuer. Dessen Bewohner entpuppen sich als skurrile, degenerierte Charaktere und die Kämpfe gestalten sich nicht minder skurril, ebenso auch die „Abgänge“. Wer respektlosen, frischen Humor mag, der wird sich mit diesem Serien-Auftakt bestens aufgehoben fühlen. (bw)
Raowl, Band 1: Die Schöne und das Biest
Text & Bilder: Tebo
72 Seiten, Hardcover
Carlsen Verlag
14 Euro
ISBN: 978-3-551-79693-6