Heranwachsende sind nicht immer einfach, das kann wohl jeder bestätigen, der Nachkommen sein Eigen nennen darf. Besonders brenzlig wird es allerdings, wenn der betreffende Teenager gerne mal in kurzen Hosen herumrennt und Verbrecher vermöbelt. Das alles läuft zwar unter der Ägide seines Mentors Bruce Wayne ab, aber dennoch entgleitet Jason Todd seinem Ziehvater und Mastermind immer mehr. Als Jason in seiner Rolle als zweiter Robin (nach Dick Grayson, der mittlerweile als Nightwing fungiert) einmal mehr durch rücksichtslose Impulsivität beinahe einen Einsatz vermasselt, platzt Batman schließlich der Kragen: er teilt seinem Zögling unmissverständlich mit, dass er nicht länger sein Sidekick sein soll. Zu zornig ist er, zu wenig hat er den Tod seiner Eltern verarbeitet, so die Erkenntnis des Mitternachtsdetektivs, der nicht zuletzt sich selbst die Schuld an der Misere gibt.
Das kommt bei Jason nicht unbedingt gut an, er wandert ziellos umher und landet irgendwann in der Nähe seines alten Elternhauses. Dort drückt ihm eine alte Bekannte seiner Mutter eine Kiste mit Habseligkeiten in die Hand, in der der angry young man eine erstaunliche Entdeckung macht: auf seiner Geburtsurkunde erscheint nicht etwa der Name seiner Mutter, sondern ein ausgeschwärzter Schriftzug, bei dem nur noch ein „S“ zu lesen ist. Im Adressbuch seines Vaters findet Jason drei Damen, die potenziell in Frage kämen – und mit Hilfe des Batcomputers stellt er fest, dass alle drei noch am Leben sind. Sofort macht sich Jason auf in Richtung Beirut, wo er Sharmin Rosen, Kandidatin Nummer 1, zur Rede stellen will. Dabei kreuzen sich die Wege bald wieder mit seinem alten Gefährten: Batman verfolgt gleichzeitig eine Spur des Jokers, der wieder mal aus Arkham ausgebüchst ist und im Terroristenmilieu eine Cruise Missile zu Geld machen will. Die Übergabe geht allerding gehörig schief, der Joker hat das Ding falsch zusammengebastelt und geht in Flammen auf.
Am Rande stellten Batman und Robin fest, dass auch Shiva Woosan definitiv nicht als Mutter im Rennen sein kann, weshalb es in Richtung nächster Stopp weitergeht: in Äthiopien kontaktiert man Sheila Haywood, die dort als Entwicklungshelferin arbeitet. Aber auch hier ist der Joker schon auf dem Plan, der der Dame wertvolle Medikamente abluchsen will, um auf diese Weise endlich wieder zu Geld zu kommen. In der Wüste kommt es dabei zur fatalen Konfrontation: Jason glaubt sich endlich mit seiner Mutter wieder vereint, aber die gute Dame spielt selbst ein falsches Spiel und liefert den Jungen ans Messer. Der Joker zeigt sich in ganzem psychopathischen Glanz, schlägt Jason mit einem Stemmeisen halb tot und hinterlässt Mutter und Sohn mit einer tickenden Zeitbombe. Während Batman verzweifelt versucht einzugreifen, läuft die Uhr gnadenlos ab…
Wie wird man einen Charakter wieder los, die beim Publikum partout nicht ankommen will? Diese Frage lösten die Verantwortlichen des DC-Universums Ende der 80er mit einem PR-wirksamen Kunstgriff: die Leserschaft sollte doch einfach selbst entscheiden, ob der ungeliebte neue Robin Jason Todd abtreten sollte. Der Bengel hatte sich seit seiner Einführung im Jahr 1983 von Gerry Conway und Don Newton mit seiner frechen Schnauze keine Freunde gemacht, und so durfte Thanos-Erfinder Jim Starlin für die Batman-Ausgaben 426-429 ab Dezember 1988 eine vierteilige Ministoryline entwickeln, in deren Mitte ein Cliffhanger stand, wie er in den besten Serials der 30er nicht dramatischer hätte ausfallen können: ein halbtoter Robin versucht verzweifelt, seine neu entdeckte Mutter und sich selbst zu retten, während die Zeitbombe erbarmungslos tickt. Im Rahmen einer gewaltigen Telefonaktion rief man die Leser dann zum Votum auf: „Robin will die because of the Joker, but you can prevent it with a telephone call“, so tönte man lautstark und führte somit das Schicksal des Boy Wonder seiner Bestimmung zu.
Auch wenn das Ergebnis reichlich knapp ausfiel (abgegeben wurden insgesamt 10.614 Stimmen, eine Hauchdünne Mehrheit von 5.343 votierte für Tod – man munkelte schnell über Manipulation), senkte das Publikum den Daumen und sandte den aufmüpfigen Gesellen in den Hades. Wo er, im Gegensatz zu manch anderen Todesfällen, in der Tat auch durchaus lange blieb (2005 kehrte er nochmals kurzzeitig als Red Hood zurück) und vom besser gelittenen Tim Drake ersetzt wurde. Somit haben wir also ein durchaus gewichtiges Stück Bat-Historie vor Augen, das uns hier in Neuübersetzung serviert wird und Story technisch auch aus heutiger Sicht einiges an Absonderlichkeiten aufweist. Da reist man fröhlich in diverse Krisengebiete und legt sich mit Terroristen an, während der Joker mit Nuklearwaffen handelt und sich von niemand anderes als Ayatollah Khomeini himself als Botschafter des Iran anheuern lässt, um unter diplomatischer Immunität bei der Uno auftreten zu können. Das wirkt teilweise ein wenig bemüht, zumal sich die Wege von Batman und dem umherirrenden Robin immer wieder kreuzen.
Ansonsten zeigt sich die Storyline im damaligen Bat-Universum verankert, wobei auch die Attacke des Jokers auf Barbara Gordon Nachhall findet, die ja eigentlich im „Killing Joke“ stattfindet. Der Auftritt des berüchtigten Schiitenführers und die Sperenzchen des Jokers wirken dabei bisweilen entlegen, und auch die vermeintlich glückliche Familienzusammenführung kommt doch allzu schnell zustande. Dagegen stehen wohlige Erinnerung an einfachere Bat-Tage wie das grau-blaue Kostüm, der Bat-Helikopter und ein Batmobil, das ganz den Geist der 80er atmet und in Jim Aparos Strich stilecht an die klassischen Zeiten des Mitternachtsdetektiv erinnert. Und auch Superman schaut vorbei, was nie schaden kann. Hübsch ebenfalls die damaligen Covers von Mike Mignola und auch die Seite mit dem alternativen Ende eines überlebenden Jason, die Starlin und Aparo schon in petto haben mussten und die 2006 im Batman Annual 26 erschien. Wer den Klassiker also neu oder sogar erstmals entdecken will, der ist hier bestens bedient. (hb)
Batman: Ein Todesfall in der Familie
Text: Jim Starlin
Bilder: Jim Aparo
148 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Verlag
14,99 Euro
ISBN: 978-3-74161-542-9