Vanikoro (Splitter)

Januar 3, 2020
Vanikoro (Splitter Verlag)

Irgendwo im Südpazifik, Juni 1788: Die beiden Fregatten Astrolabe und Boussole, die unter dem Kommando des Grafen von Lapérouse stehen, geraten während eines Sturmes vor einer unbekannten Insel in Seenot. Während die Boussole sinkt, bleibt die Astrolabe schwer beschädigt vor der Küste liegen. Der überlebenden Mannschaft bleibt so genug Zeit, das Schiff zu räumen, ehe es auseinander bricht, um am Ufer ein Lager zu errichten. Was keiner ahnt: auch von der Boussole gibt es Überlebende. Unter der Führung von Leutnant Collinet schlägt sich ein Trio durch den unwegsamen Dschungel auf der Suche nach weiteren Schiffbrüchigen und mit der Hoffnung, die Astrolabe zu finden. Immer bedroht von den Eingeborenen, die man als vermeintliche Kopfjäger identifiziert. Im Lager am Strand beginnt man, einen kleinen Segler zu bauen, um die Insel verlassen zu können. Das Gold, das sich auf der Astrolabe befand, soll solange vergraben werden, weckt unter den einfachen Seeleuten aber Begehrlichkeiten. Und als der Botaniker Prévost heimlich das Lager verlässt, werden Ereignisse ausgelöst, die die ohnehin bereits prekäre Lage der Überlebenden noch verschärft…

Die große Expedition der Boussole und der Astrolabe startete am 1. August 1785 und war als mehrjährige Reise rund um die Welt geplant, mit dem gesamten Pazifik als Mittelpunkt der Erforschungen. Nachdem die Schiffe Australien erreichten, wollte man in Richtung der Salomonen weiter. Dort verlor sich ihre Spur, die beiden Schiffe blieben verschollen. Erst Jahrzehnte später fand man bei den Eingeborenen der Salomoneninsel Vanikoro Gegenstände, die von den Schiffen und deren Besatzung stammten. Und noch einmal viel später wurden die Wracks der beiden zerschellten Schiffe gefunden und identifiziert und der genaue Standort des Lagers ermittelt. Vermutlich war ein Sturm tatsächlich der Auslöser des monumentalen Schiffbruchs. Was sonst noch vom Schicksal der Expedition blieb, waren die mündlichen Überlieferungen der Eingeborenen, die – ähnlich wie bei der legendären und ebenso gescheiterten Franklin-Expedition fast 60 Jahre später – von Generation zu Generation weitergegeben wurden.

Patrick Prugne, in erster Linie bekannt durch seine stimmigen und atmosphärisch dichten Indianer-Geschichten aus der frühen Pionierzeit Amerikas (u.a Irokesen, Frenchman, Pawnee), spinnt aus den gefundenen Überresten der Expedition und aus den mündlichen Überlieferungen nun eine Story, die ein mögliches Schicksal der Schiffsbesatzungen schildert. Eine Fiktion, basierend auf dünnen und wenigen Fakten. Doch daraus entwickelt er eine gelungene Mischung aus einer Robinsonade und Elementen aus Stevensons „Schatzinsel“. Abwechselnd verfolgt der Leser den Kampf der drei Überlebenden der Boussole, die sich ihren Weg durch die dicht bewachsene, gefährliche Insel bahnen, vermeintlich in Richtung der wartenden Astrolabe, und deren „Rest-Besatzung“, die ein provisorisches Not-Camp erreichtet, mit samt Palisaden als Schutz vor den „Wilden“. Ähnlich wie bei Prugnes Indianer-Alben trifft auch hier eine Kultur frontal auf eine fremde, andere – nur diesmal unfreiwillig. Bezeichnend, dass auch inmitten der extremen Notlage die Gier nach Gold zum Thema wird.

Einen Protagonisten, oder gar echten Helden kann man in der Geschichte nicht ausmachen. Die unkommentierten Ortswechsel der Handlung und die sich ähnelnden Personen sorgen anfangs für Verwirrung. Erst am Ende erfährt man die Identität des Erzählers aus dem Off. Und der eigenwilligen wie sympathischen Figur des Botanikers Prévost, der als einziger auch die Natur der Eingeborenen zu verstehen scheint, wird zu wenig Platz eingeräumt. Dennoch versteht es Prugne mit ein paar kleinen Kniffen, die Erzählstränge zu verknüpfen und lässt so eine schlüssige Handlung entstehen. Zeichnerisch präsentiert er wie gehabt wunderbare Aquarell-Bilder in zarten und zugleich bunten Farben und auf hohem künstlerischen Niveau, teilweise auch in großen Cinemascope-Ansichten, wie wir sie von klassischen Piratenfilmen kennen. Eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Forschungen über den Verbleib der Expedition und ein ausführlicher, von Prugne kommentierter Skizzenteil, beenden den Band. (bw)

Vanikoro
Text & Zeichnungen: Patrick Prugne
104 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro

ISBN: 978-3-96219-314-0

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