Eine Nacht in Rom, Band 3 (Splitter)

Mai 17, 2019
Eine Nacht in Rom, Buch 3 (Splitter Verlag)

Hand aufs Herz: Ist der Auftakt von Band 3 (bzw. des zweiten Zyklus‘) gleich das Ende? Hier greift sich der Protagonist Raphael an seine schmerzende Brust und bricht offenbar nach einem Infarkt auf der Straße zusammen. Dann folgen Panels einer Trauerfeier – Raphaels? – und Marie, die mit einem traurig verbissenen Gesichtsausdruck zu einer Rede ansetzt. Erst jetzt beginnt die Geschichte als Rückblick, das einleitende Kapitel bleibt vorerst für sich ohne weitere Erklärungen stehen. Wir erinnern uns an das neue Versprechen, das sich Marie und Raphael am Ende von Band 2 gaben: Ein erneutes Wiedersehen nach genau zehn Jahren (zuvor waren es ja zwanzig). Jetzt wird Raphael bald fünfzig (er hat am gleichen Tag Geburtstag wie Marie), dann sind die zehn Jahre rum. Von seiner Frau lebt er inzwischen getrennt, er wohnt alleine und widmet sich ganz einem neuen Job.

Seine glorreiche Idee: Nicht nur Marie wieder in Rom treffen (vereinbart damals wurde das gleiche Hotel und das gleiche Zimmer), sondern seinen 50. dort gebührend feiern. Die leicht makabren Einladungen werden verschickt, sein Chef stellt eine ganze Villa zur Verfügung. Die Fete kann steigen. Auch Marie erhielt eine Einladung und obwohl ihre Mutter ernsthaft erkrankt ist, macht sie sich auf nach Rom, ihr Versprechen einzulösen. Während Raphaels Freunde und seine Kollegen schon lange feucht-fröhlich feiern, trifft Marie ein. Erst kommuniziert sie mit Raphael per SMS, dann über die Haus-Sprech- und Video-Anlage. Raphael betätigt den Türöffner, Marie tritt ein, nur Sekunden trennen beide vor dem (zumindest für Raphael) ersehnten Wiedersehen nach zehn Jahren. Doch dann klingelt Maries Handy. Und als ihr Raphael entgegen geht, ist sie urplötzlich verschwunden…

Eigentlich war die Geschichte um das turbulente jugendliche Versprechen, sich nach zwanzig Jahren in Rom zu treffen, mit den ersten beiden Bänden, die im Splitter Verlag 2013 und 2014 erschienen, beendet. Doch Autor Jim, der hier auch wieder den Zeichenstift bedient, ließ ein Hintertürchen in Form des zweiten Versprechens offen und greift nun genau dieses in seiner Fortsetzung wieder auf. Kann man magische Momente wiederholen? Die Zeit zurückdrehen? Seine Charaktere sind nun zumindest gealtert. Raphael ist komplett ergraut, geschieden und Single. Zwischen maximal kleinen Affären versinkt er immer wieder in Gedanken an Marie. Von ihr erhalten wir erstmals Einblick in ihre Familie. Offenbar lebt sie im Süden Frankreichs, streitet gerne mit ihrer Schwester. Die Mutter ist schwer krank. Gemeinsam mit dem Vater klammert man sich an die Hoffnung einer Besserung. Dennoch wagt sie die Reise nach Rom. Versprochen ist versprochen.

Während Raphael mit der Feier seines 50. Geburtstags noch einmal – auch gerne brachial – die vergangene Jugend heraufbeschwört, inkl. Unvernunft und Saufgelage, sehen wir eine nachdenkliche und zögerliche Marie, noch immer bildhübsch und verführerisch, die kaum noch impulsiv, sondern eher pflichtbewusst das Versprechen, den Wiedersehens-Schwur, einzulösen scheint. Sie ist nicht mehr die unbeschwerte Marie der ersten beiden Bände und nur noch unberechenbar aufgrund der äußeren Umstände, die sie nicht beeinflussen kann (die Geschichte geht nach Maries vermeintlicher „Flucht“ noch weiter – wir wollen nur nicht zu viel verraten).

Jim, der sich inzwischen mit seinen einfühlsamen, auch melancholischen wie originellen Beziehungsgeschichten (zuletzt der Zweiteiler „Die Erektion“ mit Lounis Chabane), die nicht immer glücklich enden, längst einen Namen gemacht hat, entwickelt seine Charaktere schlüssig und glaubhaft weiter. Seine Dialoge sind nicht gekünstelt, die Story steckt voller schöner, amüsanter und überraschender Momente. Seine Zeichnungen sind präzise, klar und wunderbar realistisch in großen, eleganten Panels gehalten. Immer wieder mit Paris und Rom als ideale Kulissen für die dramatischen Entwicklungen, die Raphael als auch Marie durchlaufen. Wie geht es nun weiter? Bis zum abschließenden Band 4 wird es noch etwas dauern, wie Jim in seinem grundehrlichen Nachwort anführt. Wird er Marie und Raphael noch ein Happy End bescheren oder bleibt er der Tragik treu? Wir sind gespannt. (bw)

Eine Nacht in Rom, Drittes Buch
Text & Bilder: Jim
104 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-96219-230-3

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