Gerade war Raphaels Welt noch in Ordnung. Er lebt glücklich mit seiner Freundin Sophie in Paris. Dann erreicht ihn kurz vor seinem 40. Geburtstag eine Nachricht aus der Vergangenheit. Eine alte Video-Kassette, 20 Jahre alt. Von seiner damaligen Flamme Marie, über die er doch noch nicht ganz weggekommen zu sein scheint. Hängt doch ein abstraktes Portrait von ihr, von Raphael gemalt, in seiner Wohnung. Auf dem Film geben sich beide das Versprechen in genau 20 Jahren, zum gemeinsamen 40. eine Nacht in Rom zu verbringen. Mag kommen was will. In diesem abschließenden Band findet sich Raphael nun tatsächlich in Rom wieder. Verwirrt von seinen Gefühlen, aber seltsam entschlossen. Und auch Marie verläßt ihren Partner Damien von einer Sekunde auf die andere, um das alte Versprechen einzulösen. In einem noblen Hotelzimmer treffen sich die beiden und eine magische, lange Nacht in Rom (die Episode mit der russischen Hochzeit könnte auch aus einem Fellini-Film stammen), in der die Zeit zurückgedreht oder stehen geblieben scheint, nimmt ihren Lauf. Doch was wird morgen sein? Was wird aus Marie, wie erklärt Raphael seinen impulsiven Schritt seiner Freundin Sophie?
Der Abschluß des Zweiteilers. Beziehungs- und Liebesprobleme sind nie einfach, werden aber von Jim hier elegant, romantisch und gefühlvoll präsentiert. Raphael und Marie verlassen beide ihre Partner. Spontan und doch einem lange gegebenen Versprechen folgend. Während Marie mit ihrem Partner Damien eine angeblich lose Beziehung unterhält, ist Raphael mit seiner Sophie zufrieden und vermeintlich glücklich. Doch jeder hat mit seinen Gefühlen, seinen Beziehungen zu kämpfen. So führt Raphaels Freund Arnaud eine heimliche Internet-Beziehung. Damien offenbart Marie auf ihrer Mailbox endlich seine wahren Gefühle, nur um die Nachricht wieder zu löschen. Raphael hat eigentlich ein erfülltes Leben mit Sophie vor sich, weiß aber nicht ob das überhaupt will. Und Marie? Sie hat offenbar noch nicht zu sich selbst gefunden. Fast scheint es, als habe sie die ganzen 20 Jahre auf diese Nacht gewartet. Um endlich Frieden zu finden? Um begangene Fehler noch einmal zu machen? Marie bleibt ein Rätsel. Marie, ganz verführerisch mit langen Haaren und Sommersprossen. Ein Augenschmaus, das muss man unverhohlen gestehen, perfekt inszeniert. Sie platzt kurz in Raphaels Leben und verschwindet daraus wieder. Eine Nacht lang. Und doch eine Nacht, die den weiteren Weg der Protagonisten beinflusst, bestätigt oder verändert.
Ein sinnlicher Band, voller verwirrender, verborgener und offener Gefühle, die mit einer verheerenden Leichtigkeit präsentiert werden. Mit Rom als perfekte Kulisse. Ein Band, der eigentlich mehrere Enden hat und zum Schluß doch offen bleibt. Und am Ende, dem richtigen Ende, steht wieder ein Versprechen.
Jim, der auch unter dem Namen Téhy veröffentlicht und eigentlich Thierry Terrasson heißt, ist ein extrem vielseitiger Comic-Schaffender. Zum einen schreibt er SF- und Fantasy Stoffe. Die apokalyptische, vor Action triefende SF-Reihe ‚Yiu‘ sei hier genannt. Dann ist er als Autor von Graphic Novels (wieder als Jim), wie ‚Sonnenfinsternis‘ oder ‚Die Einladung‘ (alle bei Splitter) im Geschäft und jetzt auch als Zeichner. Die gewählte Präsentation als Alben-Zeiteiler ist goldrichtig. Ein Splitter-Buch, also eine Veröffentlichung im kleineren Graphic Novel Format, würde die großzügigen, eleganten Panels, nur unterdrücken, die man so in voller Pracht genießen kann. (bw)
Eine Nacht in Rom, Zweites Buch
Text & Bilder: Jim
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-5694-6