Spirou und Fantasio Spezial, Band 25 (Carlsen)

August 1, 2018

Frankreich, Weihnachten 1929. Der junge Zirkusartist Ptirou hat gerade seine Mutter verloren und beschließt nun, sein Glück jenseits des großen Teiches in Amerika zu suchen. Dazu versucht er auf dem Transatlantikdampfer Île de France anzuheuern und gelangt durch Zufall als blinder Passagier auf das luxuriöse Schiff. Dort ist man ihm nach seiner Entdeckung milde gestimmt und fortan darf Ptirou als Schiffsjunge arbeiten. In einem roten Pagendress, der uns allen wohlbekannt ist. Auf der Überfahrt lernt er Juliette, die Tochter des Generaldirektors der Reederei, Herr de Sainteloi, kennen. De Sainteloi musste gerade den Forderungen der Gewerkschaftler eine harte Abfuhr erteilen (Stichwort Weltwirtschaftskrise) und einige dieser Herren entlassen. Doch die sinnen auf Rache, haben sich ebenfalls heimlich an Bord des Schiffes geschlichen und versuchen nun, durch erpresserische Sabotage-Akte ihre Wiedereinstellung zu erzwingen. Als die kranke Juliette, die Ptirou inzwischen ins Herz geschlossen hat (und umgekehrt) zur vermeintlichen Leidtragenden eine dieser Aktionen wird (ihr lebenswichtiges Medikament wurde gestohlen), schreitet Ptirou zur Tat und versucht eine waghalsige Rettungsaktion…

Was hat diese Geschichte nun mit Spirou zu tun? Nichts und alles. Hier vermischen Autor Yves Sente (u.a. „Blake und Mortimer“, „XIII“) und Zeichner Laurent Verron, der als Erbe von Jean Roba den Klassiker „Boule & Bill“ schreibt und zeichnet, geschickt Fiktion und reale Geschehnisse zu einer Art Spirou-Prequel mit Meta-Faktor. Denn der Steward, der die Schiffsjungen unter seinen Fittichen hat und der hier eine Nebenrolle spielt, heißt Robert Velter und sollte als Rob-Vel 1938, neun Jahre nach den hier geschilderten Ereignissen, eine der berühmtesten Figuren der franko-belgischen Comic-Historie erfinden: Spirou. Übrigens kein Eigenname – sondern die Bezeichnung für einen schelmischen, verwegenen Knaben. So wird also Ptirou zum Vorbild Spirous, oder zumindest zur Inspiration, samt roter Uniform, Hut und unbezähmbarem Haarschopf, der die berühmte Tolle des Hotelpagen erahnen lässt. Und am Ende, noch ehe Rob-Vel dem Verleger Dupuis seine Kreation vorstellen kann, verschmelzen beide Figuren sogar. Die Geschichte ist dabei weder reine Hommage noch trockene Schilderung, sondern kommt spannend und rasant daher, mit diversen Verwicklungen, inhaltlichen Verbindungen und zunehmender Dramatik, sowie einprägsamen Charakteren, wie dem Bordpiloten Villedoit, der als dauergrinsende Clark Gable-Kopie gefällt.

Laurent Verron zeichnet in einem semi-realistischen Stil, abseits von Robas „Boule & Bill“ Vorgabe, und bringt dabei in beeindruckender Manier neben den markanten Gesichtern detaillierte Schiffsansichten und Panoramen aufs Papier. Passend zur Geschichte, die neben der unbeschwerten Lockerheit und Entschlossenheit des Hauptdarstellers, die später auch in Spirou wiederzusehen sein wird, auch Ernst und Tragik zu bieten hat. Autor Yves Sente wartet noch mit einem kleinen Clou auf: er lässt die Geschichte Ptirous rückblickend erzählen, im Jahre 1959, von keinem Geringeren als Onkel Paul, der selbst über 30 Jahre lang in einer eigenen Comicserie als pfeifenrauchender, gutmütiger und stets geduldiger Onkel seinen Neffen Geschehnisse aus der Weltgeschichte zum Besten gab (den Älteren ist die Reihe und der gute Onkel vielleicht noch aus diversen Kauka Veröffentlichungen bekannt). „Sein Name war Ptirou“ ist eine rundum gelungene Bereicherung der Spezial-Reihe von Spirou und Fantasio, in der übrigens auch diverse klassische Abenteuer aus der Feder Rob-Vels erschienen sind. Nächster Halt für Spirou: Berlin. Dazu in Kürze mehr. (bw)

Spirou und Fantasio Spezial, Band 25: Sein Name war Ptirou
Text: Yves Sente
Bilder: Laurent Verron
80 Seiten in Farbe, Softcover
Carlsen Verlag
12,99 Euro

ISBN: 978-3-551-77626-6

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