September 1944. Endlich, nach 52 Monaten, werden die Deutschen aus Belgien vertrieben. Auch das Dorf La Goffe, das nun die Amerikaner besetzen, ist befreit. Nun rächt sich das Volk an jenen, die mit den Besatzern gemeinsame Sache machten. Auch Charles, der Bruder von Thomas und Rexist/Faschist, wird deshalb gesucht, doch fehlt von ihm jede Spur. Seine Frau Alice dagegen wird öffentlich erniedrigt, indem man ihr den Kopf kahl rasiert. Während Pater Joseph geschunden und gefoltert in das Dorf zurückkehrt, blieb sein Freund Thomas vom Krieg verschont. Aufgrund seiner Malaria-Anfälle galt er als untauglich und konnte das geerbte Hôtel des Roches weiterführen, das nun zum Hauptquartier der Amerikaner wird. Thomas versucht vergebens seinen Bruder Charles zu finden und erfährt zudem, dass auch Assunta, seine Geliebte, verschwunden ist, vermutlich nach Deutschland deportiert. Lucie, die kleine Schwester von Joseph, hat sich inzwischen in einen amerikanischen Militärarzt verliebt, der sie nach dem Krieg in die Staaten mitnehmen will. Als der Krieg im April 1945 schon fast beendet ist, findet man unverhofft eine Spur von Charles, die seine Kollaboration mit den Deutschen in einem anderen, völlig neuen Licht erscheinen lässt…
Spielte der erste Teil der Geschichte noch unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, macht die Reihe nun einen recht großen Schritt direkt hin zum Kriegsende. Wobei Warnauts und Raives das Gewicht der Handlung nun auch auf andere Personen, die im ersten Teil noch eine Nebenrolle spielten, verteilen. So nimmt der Werdegang von Lucie einen wichtigen Platz ein, während Alice, die in Band 1 noch im Mittelpunkt der Dreiecks-Geschichte zwischen den Brüdern Thomas und Charles stand, etwas in den Hintergrund tritt. Und die feurige Kommunistin Assunta, wie auch Charles kommen gar nicht vor, sind aber trotzdem wichtiger Teil der Handlung. Dazwischen platzieren Warnauts und Raives typische Kriegs- bzw. Nachkriegs-Episoden: Das Hotel, das als HQ der Amis dient, wird zum Schauplatz ausschweifender Festivitäten. GI‘s schwängern Dorfschönheiten und Kollaborateure werden verfolgt und geächtet, wobei auch die Wendehälse, die sich nun unter veränderter politischer Lage erneut profilieren, ebenso thematisiert werden. Auch erfahren wir nun den wahren Grund, weshalb Thomas vor dem Krieg nach acht Jahren Kongo wieder in seine Heimat zurückkehrte.
„Zeitenwende“ ist keine reine Familienchronik, aber man verfolgt en detail (was auf Handlung, Ausstattung und Zeichnungen gleichermaßen zutrifft) das Schicksal und den Werdegang einer Gruppe von Personen, die im gleichen kleinen Dorf aufgewachsen sind und sich einander nahestehen. So entsteht ein filigranes Portrait einer Epoche, die den Namen der Reihe zu Recht trägt. Den Aufbruch in eine neue Zeit eben. Die Zeichnungen werden durch die markante Farbgebung hervorgehoben. Warnauts und Raives (die für die Optik übrigens gemeinsam verantwortlich sind) scheuen nicht vor bunten, kräftigen Farben, die trotzdem nuanciert eingesetzt werden und immer stimmig bleiben, was einmal mehr die winterlichen, verschneiten Szenen unter Beweis stellen. Mit diesem Band ist der Zweiteiler eigentlich abgeschlossen. Im Original bei Lombard starteten Warnauts und Raives mit der Folgeserie „Après-Guerre“ (wieder zwei Alben), die 1947 im besetzten Berlin spielt und die Geschichte um Thomas, Assunta und Lucie weiter erzählt. Panini verfährt da etwas anders, führt die Serie als „Zeitenwende“ fort und integriert darin die Fortsetzung unter dem Titel „Nach dem Krieg“, die somit als zweiter Zyklus mit Band 3 in Kürze erscheinen wird. (bw)
Zeitenwende, Band 2: In der Abenddämmerung
Text & Bilder: Éric Warnauts, Guy Raives
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
14,99 Euro
ISBN: 978-3-7416-0254-2