Der Mann mit der Maske, Band 1 (Bunte Dimensionen)

Januar 7, 2018

Paris in nicht allzu ferner Zukunft. Der starke Mann der Metropole ist der Präfekt Beauregard, der seit einigen Jahren Macht und Amt nutzt, um die Stadt und deren Gesellschaft radikal zu verändern. Neo-Futurismus heisst seine Devise und so wundert es nicht, dass Paris inzwischen dem Los Angeles aus Blade Runner ähnelt, freilich ohne jedoch so düster zu sein: es gibt fliegende Autos, über der Stadt schweben Zeppeline. Die Medien sind allgegenwärtig (was auch an Warren Ellis‘ „Transmetropolitan“ erinnert) und TV-Piratensender beschallen die Bürger, ob diese wollen oder nicht. Klar, dass sich Beauregard mit seinem eingeschlagenen Weg nicht nur Freunde macht. In der Bevölkerung brodelt es, das soziale Geleichgewicht ist aus den Fugen. Auch Ex-Soldat Frank Braffort, der nach sechs Jahren und einem dramatisch verlaufenden Auslandseinsatz im Kaukasus, bei dem etliche seiner Kameraden ums Leben gekommen sind, wieder in der Stadt ist, fühlt sich hier nun fremd. Er wohnt bei seiner Schwester Raphaelle, einer Studentin, und weiss noch nicht, wohin ihn sein Weg führen wird. Die Entscheidung wird ihm bald abgenommen, als ihn ein alter Kampfgefährte für den Sicherheitsdienst des Präfekten anheuert, nicht ahnend, was man mit ihm eigentlich vorhat…

Das Science Fiction-Setting des Serienauftaktes scheint auf den ersten Blick recht vertraut – siehe die eingangs bereits erwähnten Blade Runner Anleihen. Was dagegen ganz neu ist und dem Band einen originellen Touch verleiht, sind die seit einiger Zeit scheinbar zufällig in der Stadt auftretenden Anomalien: Form-abstrakte, willkürliche Ansammlungen von Objekten, die Leben nachahmen. Das können Steine sein, oder komplexere „Konstrukte“ unterschiedlicher Größe, denen plötzlich und für eine kurze Zeit Leben innezuwohnen scheint, ehe sie wieder erstarren. Sogar eine Behörde zur Erforschung und Untersuchung der Anomalien, bzw. deren Herkunft, wurde bereits gegründet. Denn warum sie entstehen und immer häufiger auftreten, weiß niemand. Für die Pariser sind sie allenfalls moderne Kuriositäten oder harmlose Randerscheinungen. Eher drollig als gefährlich. Was sich schlagartig ändert. Denn eine dieser Anomalien kommt plötzlich menschenähnlich daher, sieht aus wie ein Terminator und greift bei einer Pressekonferenz ohne Vorwarnung den Präfekten an.

Ob die Stadt selbst eine Art Bewusstsein entwickelt hat und damit Einfluss auf die Bürger nimmt (ähnlich wie seinerzeit Radiant City in Dean Motters „Mister X“), mit den Anomalien als „Wucherungen“? Wir wissen es (noch) nicht. Sicher aber ist: Ex-Soldat Frank Braffort steht im Mittelpunkt des Geschehens, bzw. ist damit verbunden – wie genau und in welcher Form (im wahrsten Sinne des Wortes), werden wir noch erfahren. Nach seiner verlustreichen, kriegerischen, unheimlichen Begegnung im Kaukasus geht es ihm wie vielen Veteranen, die ziel- und perspektivlos versuchen, wieder in ihr altes Leben zu finden. Und doch scheint mehr in ihm zu stecken, als ein Gescheiterter, was die letzten Seiten des Bandes eindrucksvoll beweisen. Dort, im Finale, geschieht, begleitet von Worten Baudelaires, etwas Wegweisendes mit Braffort, wobei auch mit Fantômas ein echter französischer Pulp-Mythos (unter origineller Bezugnahme auf das Plakatmotiv zum Stummfilm-Serial von Louis Feuillade) zitiert wird. Damit ist der Bogen endgültig gespannt und wir freuen uns auf die Fortsetzung. Band 2 ist in Vorbereitung und erscheint bereits im Mai dieses Jahres. (bw)

Der Mann mit der Maske, Band 1: Anomalien
Text: Serge Lehmann
Bilder: Stéphane Créty, Julien Hugonnard-Bert
48 Seiten, Hardcover
Bunte Dimensionen
15 Euro

ISBN: 978-3-944446-57-8

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