Immer brenzliger wird die Situation der Dimensionsreisenden um den Anführer der Anarchistischen Liga der Wissenschaftler Grant McKay. Der sabotierte Pfeiler, der seine Gruppe unfreiwilliger Mitreisenden willkürlich durch die Realitäten katapultiert, muss dringend repariert werden. Der Schamane, den man auf dem Weg aufgelesen hat, kann zwar auch tödliche Verletzungen und Krankheiten (inklusive der Diabetes von Grants Sohn) heilen, stellt aber zunehmend die Frage, ob die wüsten Dimensionsreisenden denn überhaupt rettenswert sind. In Grants Schar selbst brodelt es ebenfalls weiter: seine Geliebte Rebecca mag sich nicht damit abfinden, dass der reuige McKay nur noch seine Kinder nach Hause und seine Ehe in Ordnung bringen will. Kadir fügt sich ebenfalls nur äußerst ungern in seine Schurken-Rolle.
Aber vor allem rächt es sich, dass Grant viel zu wenig Star Trek-Folgen gesehen hat. Dann hätte er vor seinen Springereien nämlich die Prime Directive gekannt: niemals, unter keinen Umständen, darf man in die Entwicklung einer Welt eingreifen, die man besucht. Bei den Dimensionauten lautet dieses Credo „Hinterlasse jede Welt besser, als du sie vorgefunden hast“ – aber genau das Gegenteil scheint man zu erreichen. In der Realität, in der die letzte Chance auf Reparatur des Pfeilers besteht – eine Art High-Tech-Version des alten Roms – haben die Dimensionauten bei ihren vorigen Besuchen offenbar eine tödliche Seuche eingeschleppt, was den Einheimischen verständlicherweise weniger zusagt. Und so sieht sich Grant mit permanenten Attacken konfrontiert – und mit der folgenschweren Entscheidung, doch noch das zu sein, was seine Kinder in ihm sehen: ein echter Held, der eine Welt rettet…
Rick Remender („Low“, auch bei Splitter) zieht in den neuen Folgen seiner trippigen Realitäts-Wirbelei wieder alle Action-Register – atemlos hetzen wir von einem Cliffhanger zur nächsten Konfrontation, hinter jeder Ecke kann ein futuristischer Römer mit Strahlenkanone lauern oder ein vermeintlicher Verbündeter zu drastischen Mitteln greifen. War es in Band 2 noch eine sinnverwirrende Vielzahl von Schauplätzen, durch die unsere Dimensionauten eilten, speist sich die knisternde Spannung in diesen Episoden nun aus der brennenden Frage, ob man es rechtzeitig schafft, den Pfeiler zu reparieren – und ob Grant tatsächlich in der Lage ist, die fremde Welt zu retten und somit endlich einmal etwas richtig zu machen. Dabei dominiert einmal mehr das Motiv der zerbrochenen sozialen Beziehungen, die im Taumel durch die Dimensionen symbolisiert sind: Grant will verzweifelt zurück zum Familienglück, das er aus Egoismus ablehnte, und produziert dabei gerne Kollateralschäden wie etwa Rebecca.
Seine tief sitzenden Schuldgefühle versucht er auszumerzen, indem er sich als Retter der von ihnen selbst vergifteten Welt betätigt – immerhin schließt der Schamane treffsicher, der Pfeiler springe keineswegs willkürlich umher, sondern orientierte sich immer dahin, wo Vorgänger aus anderen Realitäten schon Tod und Unglück gesät hätten. Mit einem bemerkenswerten Knalleffekt endet dieser Handlungszyklus, der von Matteo Scalera (Secret Avengers, Batman) wieder dynamisch, rasant und ausladend-gemäldehaft in Szene gesetzt wird, wobei die hochtechnisierten Römer eine kleine Verneigung vor Trigan bieten. Packend, mitreißend und deutlich weniger psychedelisch als die vorigen Episoden, bietet „Black Science“ weiterhin meisterhafte dystopische SF-Unterhaltung mit höchst persönlichen Zügen. Der vorliegende Band bringt die US-Ausgaben 12-16, die auch als Trade Paperback unter dem Titel „Vanishing Pattern“ zu haben waren, wie gewohnt schön aufgemacht mit Skizzensammlung und Cover-Galerie. Aktuell ist mit Band 4 („Gotteswelt“) gerade der Folgeband erschienen. (hb)
Black Science, Band 3: Fluchtmuster
Text: Rick Remender
Bilder: Matteo Scalera, Dean White
136 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-377-6