Die Abenteuer von Jo, Jette und Jocko, Band 1 (Carlsen)

August 4, 2016

Die Abenteuer von Jo, Jette und Jocko, Band 1 (Carlsen)

Unerklärliche Vorgänge auf der Manitoba: der Ozeandampfer verschwindet auf dem Weg von New York nach Europa kurzerhand aus dem Funkverkehr. Nach zwanzig Stunden steht der Kontakt wieder, die Passagiere sind wohlauf – aber die gesamte Besatzung mitsamt Fahrgästen wurde wohl betäubt und das Schiff gestoppt, während sich Piraten über alle Wertsachen hermachten, die nicht niet- und nagelfest waren. Der junge Jo, der mit seiner Schwester Jette und seinen Eltern die Sensation im Radio hört, findet das alles höchst spannend. Am nächsten Tag rudert er mitsamt Schwester und Äffchen Jocko in einem kleinen Boot aufs Meer hinaus, um das Abenteuer nachzuspielen. Die Kinder geraten allerdings eine Nebelbank und verlieren die Orientierung – Glück im Unglück, dass ein U-Boot zur Stelle ist, um sie aufzufischen.

Damit kommen Jo und Jette aber vom Regen in die Traufe, denn sie sind niemand anders als den Piraten in die Hände gefallen, die die Manitoba überfallen haben. Man bringt die Kinder zu einer Unterwasser-Fabrik, in der sie auf einen größenwahnsinnigen Wissenschaftler mitsamt Rauschebart und Elektro-Strahlen-Kanone treffen. Der Plan des verrückten Genies: er will einen von ihm konstruierten Roboter soweit perfektionieren, dass dieser künstliche Intelligenz entwickelt. Dafür braucht er jede Menge Geld, was er sich durch seine Raubzüge bei Ozeandampfern holt, die er mit seinen Elektrostrahlen lahmlegt und die Passagiere dazu noch betäubt. Jo und Jette wollen das natürlich nicht tatenlos mit ansehen, und mit tatkräftiger Unterstützung des Äffchens Jocko machen sich die Kinder unerschrocken daran, die Pläne des Finsterlings zu durchkreuzen…

Mit den bunten, aufregenden Abenteuern der Geschwister Jo und Jette mitsamt ihres tierischen Gefährten Jocko schuf der große Hergé neben seinem Herzensprojekt „Tim und Struppi“ auch eine Auftragsarbeit, die den Fokus bewusst auf familien- und kinderfreundliche Unterhaltung legte. Für das französische Jugendmagazin Cœurs Vaillants entwickelte Hergé in den Jahren 1936-1939 insgesamt drei Geschichten, die neben ihrer Magazinveröffentlichung (u.a. auch in Tintin) in den 50er Jahren neu arrangiert in Form von fünf Alben das Licht der Welt erblickten. Der deutschen Leserschaft stellten sich die wagemutigen Kinder 1978 bei Carlsen schon einmal vor, später dann waren die Geschichten auch in der Hergé-Werkausgabe enthalten. Nun legt Carlsen die fünf Alben lobenswerterweise nochmals auf, wobei der Auftakt eine wundervoll-fantasiereiche Mischung aus Science Fiction und Abenteuer enthält, wie sie vor allem der große Jules Verne pflegte. Mit der Figur des Mad Scientist kommt zusätzlich ein Element zum Zuge, das im utopischen Kino der 30er Jahre bereits verbreitet war und in den 50ern in den bunten Leinwand-Space Operas zur Blüte gelangte.

Inhaltlich schreitet die Geschichte geradlinig und schnörkellos, weniger komplex als bei „Tim und Struppi“ voran (zeitgleich entstand z.B. „Der blaue Lotos“), zielgruppengerecht baut Hergé zusätzlich ein gerütteltes Maß an Slapstick-Momenten ein (über die Bananenschalen von Jocko fällt so ziemlich jeder Pirat einmal, und der Roboter pfeffert seinem Erfinder ordentlich eine), so dass dem Lesespaß garantiert ist, auch wenn die Kinder bisweilen etwas zu mutig und selbstsicher auftreten. In den Zeichnungen herrscht natürlich der für Hergé typische Ligne Claire-Stil vor, komplett mit der charakteristischen Kombination aus einfachen Figuren und ausgefeilten, detaillierten Kulissen, Gegenständen, Geräten und Hintergründen (hier etwa die Unterwasserfabrik, die U-Boote und der Roboter), die er bei „Tim und Struppi“ zur Perfektion brachte. Als unbeschwerte Ergänzung zum Hergé-Hauptwerk auch für jüngere Leser allemal lesens- und entdeckenswert. (hb)

Die Abenteuer von Jo, Jette und Jocko, Band 1: Die Manitoba antwortet nicht
Text & Bilder: Hergé
52 Seiten in Farbe, Softcover
Carlsen Verlag
12 Euro

ISBN: 978-3-551-73705-2

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