Die Meister der Inquisition, Band 1 (Splitter)

Februar 11, 2016

Die Meister der Inquisition, Band 1 (Splitter)

Meister der Inquisition, da denken wir ja gleich an finsterstes Mittelalter, Spanien, Kirche, oder auch an Monty Python. Gemeint sind hier aber nicht grimme Verfechter eines vermeintlichen Glaubens, sondern oberste Gesetzeshüter, die in einem Orden zusammengeschlossen sämtliche Schurkereien gnadenlos aufdecken. Und davon gibt es im sagenhaften Reich Oszitanien jede Menge. Denn diese Fantasy-Welt wurde für 1000 Jahre von einem zerstörerischen Krieg verwüstet, an den man sich nur als die Zeit des Chaos erinnert. Den Frieden brachten schließlich die Magier, die die fünf großen Kriegsmächte – Menschen (Tyr), Zwerge (Ashinn), Mannlander, Mokhans und die Bruderschaft der Eichen – in fünf Häusern zu einen verstanden und die Magierkaiser als Herrscher über das ganze Reich einsetzten. Weil aber Mord, Totschlag, Verrat, Diebstahl und nicht zuletzt Standes- und Stammesdenken während der endlos scheinenden Epoche des Chaos an der Tagesordnung waren, bedarf es einer Elitegarde, um die fragile Ordnung zu hüten – die Meister der Inquisition, die unter der Leitung von drei Richtern alle Anzeichen von Aufstand verfolgen und in die Schranken weisen.

Die insgesamt fünfzig Meister verfügen über sagenhafte Gaben: sie können die Schuldigen magisch erkennen, ihr Schwert verletzt nur Missetäter, sie sind weitgehend unverwundbar, haben auch sonst magische Kräfte – und an der Seite einen ebenfalls unsterblichen Elfen, der sie nach Kräften unterstützt. Einer dieser Inquisitoren namens Obeyron kehrt nach vierzig Jahren nach Ares, die Stadt der Meister, zurück, und ist von einem Gedanken beseelt: Rache. Denn der Auftrag, der ihn vor 40 Jahren in den Wald der Seufzer geführt hat, um eine vermisste Gesandtschaft der Inquisition zu retten, stellte sich als Todesfalle heraus. Sein Elf L’Jaren kam dabei ums Leben, und auch Obeyron hat man fälschlicherweise abgeschrieben, was seine ehemaligen Auftraggeber schmerzlich zu spüren bekommen. Er sucht seinen alten Vertrauten Paluran auf und nimmt im Anschluss Kommandant Hen’Gonar gefangen, dem er schon vor Antritt seiner Reise damals Mores lehrte, weil er Gefangene foltern ließ. Hochnotpeinlich befragt, eröffnet ihm Hen’Gonar, dass die Liste derer, die ihn tot sehen wollten, ellenlang ist – mit zu vielen Würdenträgern, Soldaten, Geschäftemachern und anderen einflussreichen Figuren hatte es sich Obeyron durch seine gnaden- und kompromisslose Art verscherzt. Gemeinsam mit Paluran macht sich Obeyron auf, seine Widersacher aufzuspüren, immer verfolgt von Erinnerungen an die verhängnisvolle Reise und Erscheinungen seines toten Elfenfreundes…

Oliver Peru (Zombies, Orakel, Lancelot, Nosferatu… alles bei Splitter!) betritt hier nach ‚Elfen‘ und ‚Der Krieg der Orks‘ (auch bei Splitter…) einmal mehr die Fantasy-Pfade, die spätestens seit den Ring-Epen übermächtig lauern, und erzeugt eine komplexe, dichte Hintergrundstory, vor der sich die Geschichte des Revenants Obeyron entfaltet. Der durchstreift als finsterer Racheengel eine Welt, die zwar mit Elfen und Drachen aufwarten kann, aber inhaltlich weniger mit Tolkien als mit Robert E. Howard zu tun hat: in der Stadt der Inquisition regieren Bestechung, dunkle Geschäfte, Mädchenhandel, Günstlingswirtschaft und schwarze Magie, gerade so wie wir das aus den Königreichen kennen, die ein hünenhafter Cimmerier voller Verachtung durchstreift. Dabei beschleichen uns zunehmend Zweifel, ob die Sache von Obeyron denn nun wirklich so gerecht ist, wie er es selbst glaubt, oder ob er nicht selbst nur ein Rädchen im großen Getriebe ist – er tötet erst und fragt später, seine Entscheidungen hinterfragt er nicht und duldet keinen Widerspruch, worauf ihn L’Jaren des Öfteren aufmerksam macht.

Insofern besteht dann eben doch eine gewisse Nähe zur historischen Inquisition, die unter dem Vorwand der Religion zum Machterhalt und sonstigen Zwecken der Herrschenden diente (worauf vielleicht ja auch der Name des Protagonisten hinweist, der nicht nur an den magischen Herrscher aus dem Sommernachtstraum, sondern auch an das Wort „obey“ erinnert). Erzähltechnisch baut Peru die Handlung durchaus vielschichtig auf, wechselt mit ausladenden Flashbacks zwischen den Zeitebenen und liefert in einem ausführlichen Einführungstext im Handstreich eine umfassende Geschichte seiner fiktiven Welt. Pierre-Denis Goux brilliert wie schon bei der ‚Saga der Zwerge‘ mit detailfreudigen, atmosphärischen Zeichnungen, die in den Erinnerungspassagen monochrom gehalten sind und durch teilweise drastische Darstellungen sowie filmische Einstellungen überzeugen. Somit kredenzt dieser Band einen willkommenen Appetithappen für alle Freunde des Genres, die sich auf fünf weitere Episoden freuen dürfen – Band 2, ‚Sasmael‘, ist bereits in den Startlöchern. (hb)

Die Meister der Inquisition, Band 1: Obeyron
Text: Olivier Peru
Bilder: Pierre-Denis Goux
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-209-0

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