Die Saga der Zwerge, Band 1 (Splitter)

Januar 4, 2016

Die Saga der Zwerge, Band 1 (Splitter)

Boronn, ein einsames Dorf in einer mythischen Landschaft: Ulrog, seines Zeichens Vertreter des Zwerge-Ordens der Schmiede, war ein Meister seines Faches und auf dem Weg, Herr des Ordens zu werden. Aber der Ruf des Gewissens führt ihn auf einen anderen Weg: er schwört der Waffenkunst ab und fertigt nur noch Sensen, Hämmer und anderes, wenig kriegerisches Gewerk. Der von ihm sorgsam behütete Sohn Redwin bekommt daraufhin die Häme der Umgebung schmerzhaft zu spüren: als Sprössling einer Memme beschimpft, wird er von seinen Altersgenossen drangsaliert, allen voran vom Rüpel Röm, der ihn erniedrigt, so oft er nur kann. Zornig baut sich Redwin seine eigene, improvisierte Schmiede und versucht sich an seinen ersten Schnittern, in die er die vom Vater einst so kunstvoll beherrschten Kriegsrunen grob einhämmert. Er schwört sich feierlich, einst nicht nur Herr des Schmiedeordens, sondern Kriegsherr des Königs zu werden – auch wenn das den endgültigen Bruch mit seinem Vater bedeutet.

Als sein Onkel Jarsen auftaucht, trifft er eine folgenschwere Entscheidung: er folgt zwar nicht dem Ruf des Onkels in dessen Werkstatt, aber er verlässt seine Heimat und seine Freundin Enime, um in der Stadt die Kriegskunst zu erlernen. Dort scheitert er, ohne jede finanzielle Mittel, zunächst kläglich und wird erneut von Röm, der mittlerweile die Kriegerschule besucht, in den Staub getreten. Gedemütigt begibt sich Redwin doch ins Haus des Onkels, der ihn zuerst in die Geheimnisse der Schmiedekunst einführt und dann so weit in der Kriegskunst unterweist, bis Redwin an den illegalen Schaukämpfen teilnehmen kann, die neben der königlichen Schule den einzigen Weg in die Arena bieten, in der die künftigen Kriegsherren bestimmt werden. Auf seinem blutigen Weg nach oben entwickelt sich Redwin immer mehr zu einer drogenbeseelten, gefühls- und seelenlosen Kampfmaschine, die nur noch vom Wunsch besessen ist, Röm zu töten und Kriegsherr zu werden – ein Ziel, das er nach zahllosen Kämpfen und brachialen Siegen auch tatsächlich erreicht. Aber er muss feststellen, dass er auch als willkürlich eingesetzter Kriegsherr die Dämonen in seiner Seele nicht besiegen kann – bis es zur ultimativen Konfrontation kommt, die das ganze Zwergenreich ins Wanken bringt…

Nicolas Jarry (u.a. Autor von ‚Götterdämmerung‘ und des uns immer noch beschäftigenden ‚Durandal‘) legt einmal mehr ein fulminantes Fantasy-Epos vor (Achtung – nicht zu verwechseln mit der Adaption des Romanzyklus „Die Zwerge“ von Markus Heitz durch Yann Krehl und Che Rossié), das zwar in Grundzügen an die mittlerweile sattsam ausgebreitete Tolkien-Welt erinnert (Zwerge als Schmiede und Waffenmeister, Elfen, Menschen, Oger, alles ist vertreten, was auch in Mittelerde Rang und Namen hat), aber das Augenmerk viel mehr auf die persönlichen Konflikte und somit zeitlose Themen richtet. Ulrogs Abkehr von der Waffenkunst ist eine kaum kaschierte Version der höchst aktuellen Problematik, ob Waffenproduktion denn nun Kriege erzeugt oder nur eine Folge davon ist, aber noch viel eindringlicher gestaltet Jarry die alptraumhafte Reise von Redwin in eine Spirale der blinden Gewalt, die nichts anderes ist als eine Flucht vor sich selbst, vor den eigenen Dämonen, von denen Röm letztlich nur eine Inkarnation ist, wie Redwin einsehen muss, sobald er ihn getötet hat.

Seiner Weigerung, den wahren Heldenmut seines Vaters zu würdigen, somit letztlich dem klassischen Vater/Sohn-Konflikt, weicht er mit Alkohol, Drogen und sexuellen Eskapaden aus, bis er sich am Ende die Liebe zum Vater eingestehen muss und sich somit zumindest teilweise läutert. An der Oberfläche also ein actiongeladenes Fantasy-Spektakel, von Pierre-Denis Goux unglaublich detailfreudig und aufwändig inszeniert, mit ausladenden Kampfszenen, die vor allem in den Sequenzen innerhalb der Arena atemberaubende Dimensionen erreichen, die ebenso sehr an die Peter Jackson-Epen erinnern wie an Sandalen-Cinemascope-Werke. Eigentlich aber, und das macht die Geschichte so faszinierend, bietet Jarry ein eindringliches Psychogramm der Wirkung von Gewalt, des Generationenkonfliktes und des Annehmens der eigenen Verantwortung, das er in eine teilweise lustige (mit vielen Wortneuschöpfungen, wie etwa „Flonz“ für Hintern oder „Milchpisser“ für kleinen Jungen), aber vor allem auch wunderbar suggestive, atmosphärische Sprache gießt, die in der Übersetzung von Tanja Krämling kongenial zur Geltung kommt. Und diese Kombination trifft man fürwahr nicht alle Tage an. (hb)

Die Saga der Zwerge, Band 1: Redwin von der Schmiede
Text: Nicolas Jarry
Bilder: Pierre-Denis Goux
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-244-1

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