Kalter Krieg. 1961. Die Supermächte stehen sich waffenstarrend gegenüber, die Welt sitzt auf einem Pulverfass. In dieser prekären Situation kommt es zu dem, was man im Diplomaten-Sprech wohl als „Zwischenfall“ bezeichnet: eine Passagiermaschine mit amerikanischer Besatzung wird auf dem Weg von Teheran nach Pakistan abgeschossen. Und zwar von einer russischen MIG, die das Flugzeug über dem (fiktiven) Staat Chabahar zum Absturz bringt und sich dann flugs aus dem Staub macht, wobei jedoch seltsamerweise bald Bilder vom Missetäter auftauchen. Schnell wächst sich das Ganze zur handfesten Staatskrise aus: die USA beschuldigen den Präsidenten Behzad, der ohnehin im Verdacht steht, sich in den Besitz einer H-Bombe bringen zu wollen, hinter dem Attentat zu stecken. Zur Aufklärung schickt die Staatengemeinschaft elf UNO-Inspektoren ins Land, die nach dem Rechten sehen sollen. Mit von den Partie sind auch diverse „eingebettete Journalisten“, in deren Reihen sich der quirlige Reporter Simon Hardy befindet, der als freier Mitarbeiter des Blattes L’Allumette eigentlich über die Brüsseler Unterwelt berichtet und von seinem Boss zu dieser heiklen Mission verdonnert wird.
Vor Ort findet Hardy dann eine ganze Reihe von Ungereimtheiten, die ihm zu denken geben: der Präsident spielt (erwartungsgemäß) das Unschuldslamm und dementiert, dass er mit dem Vorfall nur die im Land aktiven Rebellen klein halten will. Auf der Straße erlebt Hardy mit, wie finstere Gesellen eine offenbar unliebsame Dame entführen wollen, die sich allerdings als äußerst wehrhaft entpuppt und so entkommt. Noch in der gleichen Nacht dringt die gleiche, sichtlich bestens ausgebildete Dame ins Hotel Imperial ein, wo die Journalisten untergebracht sind, um Kontakt mit Hardy aufzunehmen und zur diplomatischen Mission vorzustoßen. Dabei gerät sie erneut mit den Kriminellen, die im Auftrag eines gewissen „Zaren“ agieren und sogar mit dem britischen UNO-Inspektor Blush gemeinsame Sache machen, aneinander und entkommt in letzter Sekunde dank ihres neuen Verbündeten Hardy, den die Miesepeter aus unerfindlichen Gründen tot sehen wollen. Die geheimnisvolle Fremde stellt sich als die Inderin Amiya vor, deren Vater – ein Wissenschaftler, der sich vor allem mit Energie beschäftigte – von dem geheimnisvollen „Zaren“ entführt wurde, der ihn zur Entwicklung einer ultimativen Waffe zwingen wollte. Die Spur der Kriminellen führt nach Chabahar, wo somit die Gemengelage buchstäblich noch viel explosiver ist als vermutet…
Mit den Abenteuern von Simon Hardy legen Frédéric Brrémaud (Love bei Popcom und Katzen bei dani books)und Frank Leclercq (Hut ab, wer bei diesen Namen nicht einmal stolpert…) ein zutiefst franko-belgisches Werk vor, das in jeder Sekunde den Geist von Hergé und/oder Edgar P. Jacobs atmet. Internationale Verwicklungen, exotische Schauplätze, der Journalist als mutiger Aufklärer, sogar ein Hunde-Stand-In darf in Form des Äffchens Mococo nicht fehlen – die inhaltliche Hommage an Tintin und Blake & Mortimer findet sich folgerichtig auch gestalterisch im ligne claire-Stil wieder, den der Schöpfer von Tim und Struppi berühmt machte und den Jacobs in noch realistischere Bahnen lenkte. In einer im wahrsten Sinne liebevollen Ausgestaltung entwickelt sich die Handlung detektivisch, die Hinweise werden sorgsam zusammengefügt, im besten Sinne traditionell enthüllt Brremaud dabei Stück für Stück die internationale Verschwörung, während Leclercq mit Auge für Arrangement und atmosphärische Inszenierung die Panels ruhig und unaufgeregt anordnet.
Sind die Figuren noch im Funny-Stil leicht stilisiert, zeichnen sich vor allem die Zeichnungen der Gebäude, Flugzeuge und Automobile Realitätsnähe und Detailgenauigkeit aus. Auch kleine Späße verkneift man sich dabei nicht: der UNO-Inspektor ist niemand anderes als Pierre Alary (Moby Dick, Belladonna, SinBad – alle drei bei Splitter), der offenbar immer wieder einmal Zeit hat, neben seinem Beruf als Comic-Zeichner in ferne Länder zu reisen. Und auch an einem Zusammentreffen mit Professor Mortimer darf sich man erfreuen. Eckart Schott, der in der franko-belgischen Szene ja bekanntlich gut zu Hause ist, bringt den Band (der im Original 2013 erschien) gewohnt schön aufgemacht und in stimmiger Übersetzung. (hb)
Ein Abenteuer von Simon Hardy, Band 1: Mission UNO
Text: Frédéric Brrémaud
Bilder: Frank Leclercq
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Salleck Publications
Eckart Schott Verlag
12,90 Euro
ISBN: 978-3-89908-596-9