Neueste Folge aus unserer beliebten und vielbeachteten Serie ‚Dr. Bachmaiers Beziehungsberatung‘: Dich mit einem Irren anzulegen, nur weil Du genauso durchgeknallt und deshalb der einzige bist, der ihn zur Strecke bringen kann – das kannst Du schon so machen. Das wird dann halt – heftig, Du verlierst dabei diverse Gliedmaße, Deine Eingeweide hängen gerne mal raus, und Du fliegst einige Male in die Luft. Alles kein Problem, solange Du Deadpool bist, das Großmaul mit der wundersamen Selbstheilungskraft, das als einziger in der scheinbaren Willkür eines derangierten Psychopathen ein System erkennt. Als Cletus Kassady, Bastard des selbst schon nicht ganz so netten Venom, wieder einmal die Flucht gelingt, machen sich Alien-Symbiont und Wirt auf eine mörderische Reise durch die Lande, um endlich wieder dem vollkommen ziellosen, anarchischen Chaos zu huldigen und äußerst grund- und ziellos Mensch und Tier zu meucheln.
Wo Carnage jedoch nur wildes Blutvergießen sieht, erkennt Wade Wilson ein Muster – überall, im Fernsehen, auf Schildern, in der Zeitung winken Hinweise, die ihn unweigerlich auf Carnages Spur führen. Und weil er das irgendwie cool findet, stellt Deadpool dem irren Symbionten nach und stolpert wirklich bald über seine Spur der Verwüstung. Bis dahin kann man das, wie oben schon gesagt, alles machen – aber jetzt aufgepasst: wenn auf einmal auch noch die Holde des Psychopathen auf den Plan tritt und sich als mindestens genauso irre herausstellt, dann muss eigentlich das Motto gelten: lauf, Forest, lauf! Denn man unterschätze nie die Rachsucht der Damenwelt. Nie. Das muss auch Deadpool einsehen, als wie aus dem Nichts Shriek, die ultimative Psycho-Braut, auf den Plan tritt, ihren Mann Carnage raushaut und Wade Wilson äusserst unsanft von Kostüm und Gesicht befreit.
Aber Deadpool wäre nicht Deadpool, wenn er sich auch nur einen feuchten Kehricht um unsere Beziehungsratschläge scheren würde: ganz im Gegensteil nimmt er umso emsiger die Fährte des Pärchens auf, gegen das die Natural Born Killers wirken wie Mitglieder des Itzehoer Strickclubs. Auf einem Highway stellt Wade die beiden, eine mörderische Massenkarambolage und Entführungen später flieht Carnage mit der verletzten Shriek in eine Geisterstadt, wo man dann schließlich auch noch dem Mercury-Team über den Weg rennt – was sich Deadpool clever zu Nutze macht, indem er im feurigen Finale mit gleich vier Symbionten paktiert und Carnage aber mal sowas von sauber die Leviten liest.
Wie von unserem Lieblings-Wahnsinnigen gewohnt, bereitet Wade Wilson uns auch hier wieder ein diebisches Lesevergnügen voller Absurditäten, kolossaler Überzeichnungen (wenn sich Deadpool, von einem Laster überrollt, kalauernd wieder zusammensetzt, dann hat das schon etwas gewaltig Surreales) und nerd-würdiger Späße („Ich bin Dein Vater!“, fehlt nur noch das Röcheln des Lord Helmchen, „Ich verstehe Deine Muster… so wie Cap und Capper… äh… Bucky…“). Die zentrale These, dass alle Irrsinnigen durch gewisse Verhaltensmuster verbunden seien, die nur Gleichgeartete zu erkennen vermögen, verbreitet zwar etwas abseitiges X-Files/Caligari-Feeling, verleiht der Story aber genügend Schwung, um das Schlachtfest der beiden Seelenverwandten in Gang zu halten und auch in Deadpools letztem Kommentar ans Publikum einen Ausblick auf neue „vs.“-Events zu geben: „Ich bin der Doktor unter den durchgeknallten Superwesen. Also: Wer ist der nächste?“ Cullen Bunn (u.a. Deadpool killt Deadpool und Die Sechste Waffe im All Verlag) hat sichtlich Spaß mit der Figur und breitet die Möglichkeiten dieses verrückten Duells weidlich aus – Carnage darf dem Wahnsinn frönen, und Deadpool lässt keine Chance zum Kalauern aus, während wahlweise der Symbiont oder er in Stücke gehen.
Mit Shriek, die 1993 in der wüsten Maximum Carnage-Saga erstmals das Licht der Welt verdunkelte, baut Bunn nicht nur eine ebenso abgedrehte Figur ein, sondern liefert Deadpool auch den entscheidenden Ansatzpunkt für seinen endgültigen Schlag gegen seinen Widersacher. Genauso viel Freude dürften allerdings Salva Espin und Kim Jacinto gehabt haben, die die abgedrehte Cartoon-Gewalttätigkeit der Charaktere ins rechte Bild setzen, dabei aber nie so ins Alberne abdriften, dass die Bedrohlichkeit und Düsternis von Carnage völlig aus dem Blickfeld gerät. Geballter Irrsinn auf über 120 Seiten, die die gesamte US-Miniserie Deadpool vs. Carnage sowie das Superior Carnage Annual 1 präsentieren, und damit bestes Futter, bis wir endlich die Abenteuer des Maulhelden auf der großen Leinwand erleben dürfen. (hb)
Deadpool vs. Carnage
Text: Cullen Bunn
Bilder: Salva Espin, Kim Jacinto, Mike Henderson
124 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
14,99 Euro