Seven Sons (Splitter)

Mai 16, 2024
Seven Sons (Splitter Verlag)

Halleluja, heute ist es soweit! Heute, am 7. Juli 1998, wird in Neu Kanaan, das früher Las Vegas hieß, der Messias, der neue Herr und Erlöser, gekrönt, um die Menschheit in ein goldenes Zeitalter zu führen. In dem eigens für dieses Event errichteten, gigantischen Seven-Sons-Stadion, an dem zehn Jahre gebaut wurde und das eine Million Zuschauer fasst. Pergi ist der Name des jungen, 21-jährigen Auserkorenen. Und Pergi ist das letzte von sieben Kindern, die 1977 am gleichen Tage auf verschiedenen Kontinenten geboren wurden, alle genetisch identisch, was natürlich eine Unmöglichkeit ist. Und damit ein Wunder.

Geführt, oder besser gemanagt, wird Pergi von dem selbsternannten Propheten Nicolaus, der auch der Zeremonienmeister der Krönung sein wird. So ist alles für das Spektakel angerichtet, die Marketing-Maschinerie läuft wie geschmiert. Wären da nicht die „Terroristen“, die sich Allahs Wächter nennen und die angeblich die sechs Geschwister Pergis auf dem Gewissen haben. Und ein Unbekannter, der plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht…

„Seven Sons“ kommt als bitterböse Parabel daher, was Religion betrifft, deren Einflussnahme auf und deren Macht über die Menschen und das Wirken der amerikanischen Fernsehprediger im Besonderen. Schnell vermutet man – was damit auch kein Spoiler sein sollte – dass die sieben Jesi (korrekter Nominativ Plural) alles andere als Gott gesandte Geschöpfe sind (ihre Herkunft ist noch ungeklärt, das kommt später und tut vorerst nichts zur Sache). Vielmehr ist die Masche die übliche: „Je größer die Lüge, desto mehr Menschen folgen ihr“ (den Urheber des Zitats lassen wir geflissentlich außen vor…).

Nicolaus Balaak, einst ein erfolgloser Schriftsteller, hat es tatsächlich geschafft mit dem Auftauchen der Sieben das Christentum zu kapern. Glauben muss man nun nicht mehr, denn es gibt ja den lebenden Beweis für einen neuen Messias. Daneben boomt natürlich das Geschäft rund um das Krönungs-Event, die Coronation Night, von der v.a. Nicolaus profitiert, der inzwischen über eine immense Macht verfügt. Kommerz ist Trumpf, die Merchandise-Lawine rollt unaufhörlich, so kann man für schlappe 100 Dollar mit Pay per View am Bildschirm dabei sein. Stören tut das aber offenbar niemanden, scheint man doch im ehemaligen Show-erprobten Las Vegas nichts anderes zu erwarten.

In Rückblenden erfahren wir nach und nach mehr über einige der Sieben. Vor allem natürlich, wie und warum sie gestorben sind. Der Fokus richtet sich darin bald auf Delph, einen Bruder, der verbotenerweise und inkognito die „freie“ Welt der Normalos erkundet und kennenlernt. Und der dabei Hinweise findet, die sein von Geburt an durch Nicolaus indoktriniertes Weltbild nach und nach erschüttern lassen. Später wird auch klar, was die „Terrorgruppe“ Allahs Wächter antreibt und wer dahinter steckt.

So entspinnt sich eine fesselnde, mysteriöse Geschichte, bei der man sich stellenweise fragt, ob hier verkappte Superhelden im Erlöser-Gewand agieren, mit einem skrupellosen Ziehvater, ähnlich Reginald Hargreeves bei der Umbrella Academy, bis sich schließlich die Hinweise zur Auflösung verdichten. Dann wird es dramatisch, wir lernen endgültig den wahren Charakter von Nicolaus kennen. Und das letzte Kapitel des Bandes, wie auch das Ende – das vorweg – wird nicht jedem gefallen und mag Fragen offen lassen.

Die (natürlich) siebenteilige Miniserie erschien in den USA bei Image Comics und liegt hier bei Splitter in einem Sammelband komplett vor. Als Autoren fungieren Robert Windom und Kelvin Mao, die auch gemeinsam eine sehenswerte Dokumentation über den früh verstorbenen „Rocketeer“-Schöpfer Dave Stevens drehten („Drawn to Perfection“). Für die Bilder ist erfreulicherweise Jae Lee verantwortlich, ein gelernter Superhelden-Zeichner mit einem geschätzten, unverkennbaren Stil, den viele auch durch die Stephen King Adaption des Dunklen Turms kennen, die ebenfalls bei Splitter erschien.

Hier zeichnet Lee nicht nur seine erste eigene Serie seit vielen Jahren, sondern auch etwas anders, v.a. verglichen mit der Arbeit an der Dunkle Turm Reihe. Zwar erkennt man wie gehabt sofort seinen Stil, vor allem an den Gesichtern – die Panels (deren Seitenaufteilung sehr oft unkonventionell gestaltet ist) bzw. deren Hintergründe wirken dennoch fahriger, so als konzentriert er sich auf das Wesentliche, jedoch ohne seine feine Eleganz einzubüßen. Die Kolorierung stammt übrigens von June Chung, Lees Frau. Die beeindruckende Covergalerie der Original-Hefte beendet den Band. (bw)

Seven Sons
Text & Story: Robert Windom, Kelvin Mao
Bilder: Jae Lee, June Chung (Farben)
224 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-98721-250-5

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