Pinocchia (Splitter)

Januar 5, 2024
Pinocchia (Splitter Verlag), von Francis Leroi & Jean-Pierre Gibrat

Einsamkeit bekommt meist nicht gut und ist oft schwer zu überwinden. Der nicht gerade attraktive Tischlermeister und Holzspielzeug-Bauer Galipetto findet dabei einen ganz eigenen Weg aus seiner Solo-Misere. Nach einem Unwetter und befeuert durch sein Spiegelbild schnitzt er sich eine lebensgrüße, üppige Holz-Gefährtin für eindeutige Zwecke. Am nächsten Morgen ist die Dame quicklebendig und zeigt sich höchst unangezogen. Dabei nennt sie ihren Schnitzer Galipetto „Papa“, was zur Folge hat, dass die Obrigkeit ihm sein „Werk“ wegnimmt und beide in Gewahrsam landen. Bald kommt Pinocchia, die nur von Tuten keine Ahnung hat, frei und taumelt wacker in ihr nächstes Abenteuer, wo sie ihren zukünftigen Schwarm Lorenzo trifft, aber auch die zwielichtigen Renardo und Catho, die Pinocchias „Talente“ zu Geld machen wollen…

Pinocchia verkörpert (im wahrsten Sinne) die ideale, weil fleischgewordene Sex-Puppe ohne eigenen Willen, natürlich ohne Verstand und damit ohne Sinn für Gut und Schlecht, die nur zu gerne die Fantasien und die einschlägigen Wünsche der Männer erfüllt. Die strunz-naiv auch gerne zum zweiten Mal auf windige, durchgehend moralisch verkommene Spießgesellen hereinfällt. 1995 entstanden ist der Band natürlich ein Kind seiner Zeit, der beständig Altherren-Fantasien bedient, dabei episodenhaft angelegt ist – von einer erotischen Eskapade zur nächsten – und dann tatsächlich auch erzählerisch ermüdend daherkommt, bis skurrile Elemente wie die U-Boot Sequenz oder die bei Lügen massiv anschwellenden Brüste einen Hauch von Pinocchio-Parodie mit gelungener Frivolität und damit auch ein wenig Originalität vermitteln.

Der Band erschien bereits 1996 bei Carlsen im für den Verlag typischen Softcoverformat und jetzt als Neuedition bei Splitter als Hardcover – wobei nun auf dem Cover der Titel-Schriftzug die Brüste der Holz-Dame verbirgt (zu gewagt?) – im inoffiziellen Label „Splitternackt“. So betitelt der Verlag seine aktuelle Erotik Offensive, unter die auch prominente Titel wie Crepax‘ „Dracula“ und Manaras „Gullivera“ fallen, letzterer ebenfalls mit einer weibliche Version eines Literatur-Klassikers. Und was steht jetzt auf der Habenseite des Bandes? Natürlich die phänomenalen, wunderbaren direkt kolorierten und realistischen Zeichnungen von Jean-Pierre Gibrat, die nicht nur die Titelfigur stets ins rechte Licht setzen (als Autor fungiert der 2002 verstorbene Francis Leroi, der unter dem Pseudonym Jim Clack auch als Kino-Pornograf reüssierte).

Gibrat, der bereits 1981 im Pilot-Magazin des Volksverlags vertreten war und später dort ein Album spendiert bekam („Typisch“, 1984), arbeitete bei „Pinocchia“ meines Wissens erstmals in seinem heute charakteristischen realistischen, feinen und direkt kolorierten Stil, den er kurz darauf mit dem preisgekrönten „Der Aufschub“ und danach in „Von Dieben und Denunzianten“ perfektionierte, wobei er jeweils auch nach eigenem Szenario zeichnete. Seit 1998 erscheinen seine Arbeiten auf Deutsch bei Eckart Schotts Salleck Publications, somit auch seine aktuelle Reihe „Mattéo“, von der bisher sechs Bände erschienen sind. Auch hier stehen immer wieder attraktive Damen im Mittelpunkt – wenn auch meist angezogen – denen sogar mit Jeanne & Cécile ein eigener Bildband gewidmet wurde. (bw)

Pinocchia
Text & Story: Francis Leroi
Bilder: Jean-Pierre Gibrat
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
18 Euro

ISBN: 978-3-98721-266-6

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