Comicleser, die anspruchsvolle und doch unterhaltsame Comics mögen, haben ‚Der Aufschub’ und ‚Von Dieben und Denunzianten’ im Regal stehen. Geschichten, die während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich spielen. Eine auf dem Land, die andere in Paris. Beides sind Zweiteiler, geschrieben und gezeichnet von Jean-Pierre Gibrat. Und in beiden spielen attraktive junge Frauen eine Hauptrolle, die Schwestern Jeanne und Cécile.
Mit der Veröffentlichung des ersten Bandes von ‚Der Aufschub‘ erwachte Gibrat 1997 aus einem Dornröschenschlaf. Natürlich gab es ihn als Zeichner schon vorher, auch bei uns wurde Alben von ihm veröffentlicht – sein Band ‚Typisch‘ erschien bereits 1984 im Volksverlag (es folgten ‚Pinocchia‘ und ‚Verwandlungen‘, beide bei Carlsen). Doch erst mit ‚Der Aufschub‘ wurde er einem breiten Publikum bekannt, bei uns wie auch in Frankreich. Der Zeichenstil wurde verfeinert und die Farben direkt aufgetragen. Aber v.a. machte die inhaltliche Qualität einen Quantensprung, da Gibrat hier erstmals auch als Autor auftrat und seine eigene Geschichte schrieb.
Sowohl Cécile als auch Jeanne wurden unter der Leserschaft schnell populär, kurioserweise nicht deshalb, weil ihre weiblichen Vorzüge – wie beispielsweise bei Milo Manara – vorteilhaft und freizügig in Szene gesetzt wurden, sondern weil ihre starken Frauenfiguren einfach gut zur Geschichte passten: Cécile als vorsichtiger, eher verschlossener Typ und Ihre Schwester Jeanne als deren Gegenteil. Beide sehen sich folglich sehr ähnlich und sind, das muss man voller Ehrfurcht erwähnen, stets wunderschön gezeichnet.
Kein Wunder, dass Gibrat die beiden Damen abseits ihrer Comicalben des öfteren auf Papier in verschiedenen Zeichen- oder Maltechniken festhielt. Sei es als Poster, als Kunstdruck, als einfache Bleistiftskizze oder als Plakat für ein Comic Festival – und da gibt es Frankreich wahrlich nicht wenige. Dieser Band versteht sich somit nicht als Artbook, eher als Sammelband für all diese Bilder und Skizzen. Einige Motive davon mögen dem geneigten Fan und Sammler bekannt sein, andere dagegen sind ganz neu und waren noch nie zu sehen.
Jede Abbildung ist von Gibrat kommentiert, leider oft recht knapp aber immer sehr liebevoll. Der Rest bleibt der Fantasie des Lesers bzw. Betrachters überlassen. Ein wunderbarer Bildband zum Verweilen für Fans der Arbeiten Gibrats und der beiden Damen, dankenswerteweise komplett auf Deutsch – das ist bei Büchern dieser Art, die in Frankreich oder Belgien zu namhaften Zeichnern oft erscheinen, beileibe keine Selbstverständlichkeit. (bw)
Text & Bilder: Jean-Pierre Gibrat
120 Seiten in Farbe, Hardcover
Salleck Publications
49 Euro
ISBN 978-3-89908-415-3